Pasta mit gebratenen Artischocken

Pasta mit gebratenen Artischocken

Die 76-jährige Großmutter Anna lebt in einem Vorort von Neapel und ist so gut wie blind. Trotzdem kocht sie jeden Tag. Am liebsten diese Tagliatelle mit frischen Artischocken.

Von Juri Gottschall

Seit einigen Wochen habe ich eine italienische Brieffreundin. Sie hilft mir beim Lernen der Sprache und wir unterhalten uns fast täglich über alles, was uns gerade so im Leben beschäftigt. Weil Manuela Italienerin ist und weil sich unsere Interessen sehr ähneln, geht es meistens schnell nur noch um eins: ums Essen. Neulich erzählte sie mir von ihrer Nonna, ihrer Großmutter, die genau wie sie in einem Vorort von Neapel lebt und bei der sie oft mittags zum Essen vorbeischaut. Anna ist 76 Jahre alt und so gut wie blind. Trotzdem kocht sie jeden Tag.

Ich wollte natürlich ein Rezept. Also ließ ich mir Schritt für Schritt das Rezept für diese Pasta mit gebratenen Artischocken durchgeben. Direkt aus der neapolitanischen Wohnung von Nonna Anna. Der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können: Zufällig war auch ich gerade in Italien unterwegs und sah auf jedem zweiten Feld zwischen Livorno und Rom die frischen Artischocken wachsen.

 

Diese Pasta mit gebratenen Artischocken kommt ohne die üblichen Artischockenbegleiter Knoblauch, Minze, Petersilie, Zitrone aus – es braucht nur Zwiebeln, Olivenöl, Weißwein und etwas Gemüsebrühe

 

Erst war ich überrascht, dass diese Pasta ohne die üblichen Artischockenbegleiter wie Zitrone, Minze, Knoblauch oder Petersilie auskommt. Aber gerade in dieser Einfachheit liegen sein Geheimnis und auch seine Herausforderung. Weil das Gemüse durch nichts unterstützt wird, muss die Qualität der Artischocken perfekt sein.

Natürlich bekommt man sie in Deutschland nicht frisch geerntet. Man kann sie aber in guten Gemüseländen mit viel Stiel und Blättern kaufen und diese erst unmittelbar vor der Zubereitung entfernen, um so die bestmöglichste Frische zu ermöglichen.

Dann geht es ans Kochen.

Zunächst bereite ich die Artischocken vor, die ich erstmal von ihren harten Blättern befreie. Die inneren, helleren und zarten Blätter können mitgegessen werden. Allerdings sollte man sie ein bisschen kürzen. Den Stiel schäle ich und lasse ein paar Zentimeter stehen.

Dann halbiere ich das Gemüse der Länge nach und kratze mit einem Teelöffel das eventuelle Stroh heraus. Bei meinen Exemplaren frisch vom Feld war das nicht nötig, so zart und jung waren sie. Nun schneide ich die Artischocken in dünne Streifen. Wer vermeiden möchte, dass sie braun werden, legt sie in Wasser mit ein bisschen Zitronensaft. Den kann man später auch noch benutzen, um die schwarz gefärbten Hände wieder rein zu waschen.

In einer Pfanne dünste ich dann eine kleingeschnittene Zwiebel in Olivenöl an, sodass sie zwar weich, aber noch ohne Farbe ist. Dann gebe ich die Artischocken dazu und brate sie kurz mit. Nach ein paar Minuten kommt (je nach Menge) ein gutes halbes Glas Weißwein dazu. Ich habe einen sehr guten toskanischen Vernaccia benutzt, den man natürlich eigentlich lieber trinkt als verkocht. Ich bin aber kein Freund davon, minderwertigere Weine im Essen zu benutzen.

 

Minderwertige Weine haben im Essen nichts zu suchen: Je besser der Wein, mit dem man kocht, desto besser das Gericht

 

Sobald der Wein verdunstet ist, ergänze ich noch etwas Wasser, sodass das Gemüse zwar nicht schwimmt, aber auch nicht trocken wird. Anstelle von Salz kann noch etwas Gemüsebrühe, idealerweise auf Artischockenbasis, benutzt werden. So macht es Nonna Anna für ihre Pasta mit gebratenen Artischocken.

Parallel koche ich die Tagliatelle. Ich benutze hier hochwertige getrocknete Eiernudeln, die in wenigen Minuten gar sind. Wer Zeit und Lust hat, macht sie einfach selbst.

Wenn die größten Artischockenstücke gerade noch etwas Biss haben, gebe ich etwas sehr fein geriebenen, mittelalten Parmigiano Reggiano zum Gemüse. Und zwar gerade so viel, dass der reichhaltige Geschmack des Käses die Soße unterstützt und abrundet, sie aber auf keinen Fall nach Käse schmeckt.

Dann gieße ich die Pasta ab und hebe etwas des stärkehaltigen Pastawassers auf. Die Stärke darin hilft uns, die Pasta noch besser mit den gebratenen Artischocken zu verbinden. Die Tagliatelle nun zu den Artischocken in die Pfanne geben und gut durchschwenken, währenddessen etwas vom Nudelwasser und den geriebenen Parmigiano Reggiano dazugeben. Auch Olivenöl ist hier sehr gut ergänzend angebracht.

Der unverfälschte Geschmack des bitteren Gemüses ist endlich mal genauso intensiv, wie frische Artischocken sonst nur riechen. Sie sind herb, saftig, grasig und natürlich auch noch außerordentlich gesund. Danke, Anna!