Ach, Saltimbocca! Der überaus appetitliche, hauchdünn geklopfte römische Secondo springt vom Teller direkt in den Mund, schmilzt dort und macht abhängig. So verrät es schon sein Name (auf Deutsch bedeutet der Begriff etwa: Hüpf in den Mund). Die Saltimbocca alla Romana kommt völlig ohne all die Dinge aus, für die die italienische Küche in den letzten Jahrzehnten so berühmt geworden ist. Keine Pasta, kein Olivenöl, kein Gemüse, kein Käse. Stattdessen Butter, Fleisch und Schinken.
Ob die Saltimbocca ihren Ursprung allerdings wirklich in der römischen Küche hat, weiß niemand so genau. Die Bezeichnung alla Romana deutet zunächst darauf hin. Da es aber in Italien so gut wie keine weiteren Gerichte mit dem Namen Saltimbocca gibt, scheint diese Differenzierung unnötig. Die Zutaten sind jedenfalls keineswegs typisch römisch: Rohschinken verortet man eher nördlich der Hauptstadt und römische Fleischgerichte bestehen meist aus den unbeliebten Teilen des Rinds und nicht aus zarten Schnitzeln. Einer Theorie nach stammt die Idee, Kalbsschnitzel mit Schinken und Salbei zu garen sogar aus Brescia, damals an der Grenze zwischen dem Lombardischen und Venezianischen Raum gelegen, und wurde von der Ende des 19. Jahrhunderts sehr beliebten Trattoria Le Venete in Rom eingebürgert.
Die Zubereitung ist so einfach, dass sie prädestiniert scheint für zahlreiche Varianten der Verhunzung. Zu einem schönen Fallbeispiel für derlei Tragödien später, zuerst bitte unbedingt das Originalrezept einprägen.
Saltimbocca alla Romana, so geht das Originalrezept:
Kalbsschnitzel (z.B. aus der Hüfte) mit dem Fleischklopfer oder der flachen Rückseite einer Bratpfanne möglichst dünn klopfen. Jeweils eine dünne Scheibe luftgetrockneten (!) Rohschinken (möglichst Stücke mit eher höherem Fettanteil wählen) und ein frisches Salbeiblatt mit einem Zahnstocher auf der Oberseite des Fleischs befestigen.
Jedes Schnitzel kurz auf der Unterseite bemehlen. Dafür einen Teller mit Mehl bereitstellen und die Fleischstücke kurz auf das Mehl drücken. Die Stärke des Mehls sorgt später für die Bindung der Soße in der Pfanne.
In einer Pfanne Butter schmelzen und die Schnitzel hineingleiten lassen. Wenige Minuten nur von der Unterseite braten. Einen großzügigen Schuss Weißwein dazugeben, die Pfanne gut rütteln und mit einem Deckel verschließen, damit im heißen Dampf auch die Oberseite genug Hitze abbekommt.
Nach einer Minute den Deckel kurz anheben und mit einem Löffel von dem Sud auf der Oberseite des Fleischs verteilen. Das beugt der eventuellen Austrocknung vor und sorgt für noch mehr Geschmack. Das Fett des Schinkens verschmilzt mit dem Fleisch und die Aromen verteilen sich im Sud.
Fleisch aus der Pfanne nehmen und abgedeckt auf einem vorgewärmten Teller warm halten. Den Bratensatz schnell mit einem Holzlöffel vom Pfannenboden lösen und zusammen mit der noch übrigen Flüssigkeit zu einer Soße einkochen lassen.
Nur wenn nötig etwas Wasser hinzugeben, sodass eine nur leicht angedickte Soße entsteht. Das Schnitzel sofort zusammen mit ein wenig der eigenen Soße servieren. Als Contorno eignen sich separat serviert Kartoffelpüree oder grüne Bohnen mit etwas Butter.
So einfach, so gut, dass es bitte keine Verhunzung braucht
So einfach, so gut, oder? Dann noch eben Bühne frei für die Verhunzug dieses Klassikers aus einem zumindest seinem Namen nach italienischen Lokal im Münchner Umland: Auf der Karte noch als Saltimbocca alla Romana angepriesen kommt an den Tisch, Trommelwirbel: Ein zähes, noch dazu daumendickes Schweineschnitzel, ertränkt in literweise nach Tütensuppe schmeckender Champignon-Sahne-Weißwein-Soße auf einem riesigen Haufen mit Balsamico abgelöschten zerkochten bunten Grillgemüse. Irgendwo darunter waren dann auch noch etwas Speck und ein Salbeiblatt zu finden, doch eine halbe Gabel dieser mutigen Interpretation reichte, damit die den Tränen nahen Esser widerwillig das Geld auf den Tisch legten, aufstanden und niemals wiederkehrten.


