Aldi

Das Radicchiokleid

Wieso wirbt ein Supermarkt mit der Behauptung, dass Einkaufen nicht schön sei? Und was will uns Aldi damit sagen? Der Versuch zu verstehen.

Von Juri Gottschall

Als Münchner ist man bunte Kleider im Herbst ja gewöhnt. Dieses hier fiel mir aber besonders auf. Schließlich ist dieses kunstvoll gearbeitete Radicchio-Dirndl ja mindestens handwerklich originell und hübsch anzusehen. Der Spruch daneben allerdings hat mich schon beim ersten Hinsehen irritiert: „Einfach einkaufen – mehr Geld für Schönes“. 

 

Was soll das Schöne denn nach Aldi-Logik eigentlich sein, wenn es alles, was es bei Aldi gibt, anscheinend schon mal nicht ist

 

Wenn ich den Spruch aldigemäß interpretiere, wird hier vermittelt, dass ich mir mehr schöne Dinge kaufen kann, wenn ich einfacher einkaufe. Was auch immer einfach einkaufen hier bedeuten soll, impliziert es die angebliche Tatsache, dass Einkaufen an sich weder einfach noch schön sei. Das ist zumindest für mich völliger Blödsinn. Denn Einkaufen empfinde ich als größten Genuss, schönste Alltäglichkeit und beste Inspiration. Und das trifft nicht nur auf Lebensmittel zu, um die es hier ja zu gehen scheint, wenn man vom ursprünglichen Treviso-Röckchen ausgeht.

Wieso also sollte man diese genüssliche Nebensächlichkeit vereinfachen und wie soll das gehen? Und dann auch noch mehr Geld für Schönes dadurch haben? Das ist eine Gleichung, die für mich auf sehr vielen Ebenen nicht aufgehen will. Was soll das Schöne denn nach Aldi-Logik eigentlich sein, wenn es alles, was es bei Aldi gibt, anscheinend schon mal nicht ist – also jegliche Lebensmittel, Kosmetik, sogar Klamotten und Matratzen und Elektrogeräte und Blumen?

 

Meinen täglichen Bedarf finde ich nur schwer. Der Käse ist unattraktiv bis langweilig, vom Gemüse muss man gar nicht erst reden (so schönen Radicchio wie auf dem Kleid gab es nicht).

 

In meiner Verwirrung mache ich mich eines Abends zum Selbstversuch auf zu Aldi. Der ist in der Innenstadt gar nicht so leicht zu finden und ich komme auf dem Weg an vielen schönen Lebensmittel-Geschäften vorbei, in die ich jetzt viel lieber gehen würde. Als ich bei Aldi ankomme, kaufe ich mir eine Cola und eine nachgemachte Schokolade, die gar nicht schlecht schmeckt. Ich überlege, was ich hier wohl sonst noch gebrauchen könnte. Mein regelmäßiger Lebensmitteleinkauf beschränkt sich ja normalerweise auf wenige Geschäfte. Ein oder zwei Gemüsehändler, einen Bäcker, einen Laden, in dem ich Käse kaufe und hin und wieder noch einen Supermarkt. Vorräte wie Mehl und Konserven kaufe ich nur alle paar Wochen bis Monate.

Das Gefühl von zweiter Wahl

Vieles bringe ich außerdem von Großeinkäufen aus dem Ausland mit. Meinen täglichen Bedarf finde ich bei Aldi nur schwer. Der Käse ist unattraktiv bis langweilig, vom Gemüse muss man gar nicht erst reden (so schönen Radicchio wie auf dem Kleid gab es nicht).  Noch dazu habe ich ständig das Gefühl, dass hier alles zweite Wahl ist. Hässlicher verpackt, schlechtere Qualität und nachgemacht. Teuer ist natürlich nichts. Aber das ist es bei den türkischen Gemüsehändlern um die Ecke auch nicht – und die bieten frischeste Ware in größter Auswahl. Außerdem sehen sie zumindest so aus, als würden sie ihre Läden mit einer gewissen Freude betreiben.

Auch einfacher ist bei Aldi nichts – zumindest nicht, wenn man einfach mit leicht übersetzt. Im Gegenteil: Zwischen all den schlecht geschnittenen Cordhosen, Weinflaschen und eingeschweißten Salatköpfen, ist es schwer, das zu finden, was man wirklich sucht. Eigentlich ist der Einkauf hier nur billig. Und anstrengend. Man sollte wohl die Aussage neben dem Salatkostüm vor allem auf eins beziehen: Auf den Laden, der hier beworben wird. Und deshalb in Zukunft wieder in normalen Geschäften einkaufen, somit sein Geld vielleicht sogar für Sinnvolles ausgeben und Schönes und Einkaufen einfach kombinieren. Denn eigentlich ist es ja ohnehin ein und dasselbe.