Ich habe hier schon öfter über meine Liebe zur italienischen Pasticceria-Kultur geschrieben. Jener zeitlosen, oder auch aus der Zeit gefallenen Institution, die in Italien jedem noch so kleinen Dorf und jeder noch so schäbigen Bahnhofsgegend ein Maximum an Eleganz, Schönheit und Qualitätsbewusstsein verleiht. Wie das funktioniert? Wahrscheinlich durch das Zusammenspiel vieler Kleinigkeiten. Wenn ich das Prinzip Pasticceria aber auf drei Dinge herunterbrechen müsste, würde ich sagen: Gut sitzende Arbeitskleidung, guter Kaffee und der Duft von Mandeln.
Gut sitzende Kleidung, guter Kaffee und der Duft von Mandeln
Vor allem letzterer begegnet einem in Italien ja sowieso überall. Im Putzmittel, beim Friseur, in der Drogerie und sogar beim Kauf von Klebstoff. Von Likör und Sirup mal ganz abgesehen. Italien riecht nach Marzipan.
Eine der schönsten Mandelerscheinungen findet sich, neben der Crostata, in kleinen, unförmigen Häufchen, die die Auslage einer jeden amtlichen Pasticceria schmücken. Sie sind außen weiß von Puderzucker, haben eine knusprige Hülle und sind mit einer weichen, klebrigen Masse aus Mandeln und Zucker gefüllt. Sie sind das keksgewordene Marzipan. Kleine Wölkchen aus Süßigkeit, die zum Frühstück genauso gut schmecken wie zum Nachmittagskaffee, zum Dessert oder einfach als kleine Stärkung, wenn der müde Körper nach Zucker ruft und keine lapidare Limonade verkonsumieren möchte.
Keksgewordenes Marzipan
Man begegnet den kleinen Mandel-Zucker-Schönheiten oft in Sizilien, aber eigentlich sind sie in ganz Italien verbreitet. Sie weisen eine große Ähnlichkeit mit den in der Toskana beheimateten Ricciarelli auf. Jener fast identischen Spezialität aus Siena, die wahrscheinlich jeder schon mal gegessen hat. Nur ihre Form ist anders.
Neulich habe ich die Biscotti morbidi alle mandorle (was nichts anderes heißt als „weiche Mandelkekse“, einen wirklichen Namen haben sie nämlich nicht) mal wieder gebacken und möchte das so einfache wie geniale Rezept hier gerne für alle niederschreiben, die auch abseits von Italien immer wieder die Lust auf einen Pasticceriabesuch verspüren.
Ich gebe 200 Gramm geschälte, weiße Mandeln zusammen mit 100 Gramm Zucker in einen Mixer und vermahle beides zu feinem Pulver. Die Konsistenz sollte sich wie Mehl anfühlen. Dann füge ich 100 Gramm Puderzucker dazu und ca. 30 Gramm frisches Eiweiß. Das entspricht ungefähr der Menge eines Eis. Entgegen anders lautender Rezepte muss das Eiweiß übrigens nicht steif geschlagen werden. Es dient hier nur der Bindung und sorgt für etwas Feuchtigkeit.
Fein geriebene Schale von Zitrusfrüchten
Dazu kommt ein knapper Teelöffel Backpulver (in Italien benutze ich lievito vanigliato, eine Backpulver-Variante mit ein wenig Vanillearoma), sowie die fein geriebene Schale von Zitrusfrüchten. Orangen eignen sich hervorragend, aber auch Zitronen sind toll. Gut funktioniert auch eine Mischung aus beidem. Wer in der Saison an frische Bergamotten kommt, sei dringend ermutigt, auch diese einzusetzen. Die Menge ist Geschmackssache, ungefähr die Menge der Schale einer Zitrone sollte es schon sein. Dazu noch etwas Saft derselben Frucht.
Dann wird alles durchgemischt bis eine klebrige Masse entsteht, die ungefähr die Konsistenz von feuchtem Marzipan hat. Diese Masse streiche ich auf einen Teller und decke sie mit Folie ab. Es empfiehlt sich vorher noch etwas Puderzucker darüberzugeben, damit die Folie nicht festklebt. Jetzt kommt alles für mindestens vier Stunden in den Kühlschrank.
Die Ruhezeit ist wichtig für die Mandelkekse
Diese Ruhezeit ist wichtig und sollte unbedingt eingehalten werden. Denn nur so erhält der Teig für die Mandelkekse die richtige Konsistenz und zerläuft später nicht auf dem Backblech. Die Ruhezeit kann auch verlängert werden. Ideal ist es zum Beispiel den Teig abends vorzubereiten und über Nacht im Kühlschrank zu lassen.
Dann nehme ich den gut durchgezogenen Teig und forme kleine Rollen daraus, die ich in Puderzucker wälze. Davon schneide ich dann ca. zweifingerdicke Scheiben herunter. Ich forme sie zu Kugeln, bedecke sie erneut mit Puderzucker und drücke sie an den Seiten mit drei Fingern etwas zusammen wie auf dem Foto ersichtlich.
Nun kommen die Mandelkekse für ca. 10 Minuten auf Backpapier in den auf 160° C vorgeheizten Backofen. Beim Herausnehmen sollte man sich nicht davon irritieren lassen, dass die Kekse noch feucht sind. Erst nach dem Abkühlen bekommen sie ihre typische Konsistenz.
Es ist im DuMont-Verlag erschienen und wurde mit dem Deutschen Kochbuchpreis 2022 in Gold und Silber ausgezeichnet.