Pasta spielt in der italienischen, und deshalb auch in der Splendido-Küche eine wichtige Rolle. In Form von frischer Eierpasta, gefüllter Pasta und natürlich auch gekaufter, getrockneter Hartweizenpasta aus mehr oder weniger industrieller Fertigung. Diese drei grundlegend verschiedenen Varianten lassen sich kaum miteinander vergleichen, deshalb soll es in diesem Text vor allem um letztere gehen: Hartweizenpasta aus industrieller Fertigung, wie man sie etwa in Form von Spaghetti kaufen kann.
Anlässe, sich über die Qualität von Pasta zu informieren, gibt es genug. Zum Beispiel, weil man sich in einem schlecht sortierten Supermarkt mal wieder über das Angebot geärgert hat. Weil man in einem Restaurant völlig verkochte Penne all’Arrabbiata serviert bekam oder weil man einen sogenannten Pasta-Test in einer der eigentlich mal renommiertesten Tageszeitungen Deutschlands entdeckt hat.
So geschehen vor wenigen Tagen in der Süddeutschen Zeitung. Hier konnte man einen sogenannten „Spaghetti-Test” lesen, dessen Einleitung leider schon Haltung und Expertise der Autorin in Sachen Spaghetti verriet: Sie empfindet den Verzehr von Spaghetti offenbar als eine solche motorische Herausforderung, dass sie sich zu der Bemerkung gezwungen sah, man verliere dabei „schon mal die Geduld“. Dennoch, urteilte sie im gleichen Tonfall der Befremdung, hielten Spaghetti sich „hartnäckig“ als „die beliebteste Nudelsorte“ (Deutschlands? Italiens? Der Welt? Man weiß es nicht). Die Wiedergabe des Absatzes über lustig spritzende Tomatensoße aus Kindermündern ersparen wir uns an dieser Stelle.
Der kleinste gemeinsame Nenner der italienischen Küche: der Spaghetto
Zum Glück testete die Autorin die angekündigten Spaghetti aber wenigstens nicht selbst, sondern zog einen „dreifachen Familienvater“ in Form eines mehrfach ausgezeichneten österreichischen Kochs zurate. Dieser ist besonders stolz auf seine Spaghetti alla Carbonara. Diese Carbonara besteht laut Text aus Tiroler Speck, Rinderbrühe, Sahne, Parmesan und Rosmarin – und enthält damit keine einzige Zutat, die eine Carbonara auszeichnet. Diese seine Nicht-Carbonara dient ihm sodann, um die Qualität von Spaghetti zu testen.
Zumindest würde man dies von einem Spaghetti-Test erwarten. In Wirklichkeit kommen aber gar nicht nur Spaghetti zum Einsatz. Hier werden Dinkelnudeln, Spaghettini, immerhin manchmal doch die klassischen Spaghetti und eine Packung Eiernudeln mit dem echten Spaghetti ohnehin eher unwürdigen Carbonara-Derivat vermischt, um sie daraufhin in ziemlich beliebig erscheinenden Kriterien zu bewerten.
Mal völlig abgesehen davon, dass man über Rezepte und Traditionen natürlich streiten kann und darf und dass man auch nicht allzu böse über wehrlose Köche urteilen sollte, die man noch nicht einmal persönlich kennt, zeigt dieser Umgang mit dem Thema Pasta eindrucksvoll, welch riesigen Nachholbedarf es im italienverliebten Deutschland selbst beim kleinsten gemeinsamen Nenner der italienischen Küche, dem verehrten Spaghetto, noch gibt.
Zwei Zutaten – Hartweizen und Wasser
Nehmen wir diesen verwirrenden Spaghetti-Test also zum Anlass, ein kleines Gegengift in Form eines kurzen Leitfadens zu guter getrockneter Hartweizenpasta zu schreiben.
Zunächst mal: Klassische Spaghetti bestehen nicht aus Weichweizenmehl (auch nicht aus Typ 405, wie im SZ-Test suggeriert wird), nicht aus Dinkel und nicht aus Eiern. Sie bestehen aus nichts als Semola, dem italienischen Wort für Mehle aus Hartweizen, und Wasser. Ausnahmen gibt vor allem in den letzten Jahren lediglich in Form von speziellen, alten Getreidesorten, die sich in Italien als „Grani antichi“ großer Beliebtheit erfreuen. Zum Beispiel der inzwischen weit verbreitete „Senatore Cappelli“-Weizen.
In Deutschland wird Semola (oder auch die etwas feinere Semola Rimacinata) gerne mit Hartweizengrieß übersetzt, was nur bedingt korrekt ist. Denn italienische Mehlsorten haben deutliche feinere Abstufungen als ihre deutschen Verwandten. Das, was hierzulande als Grieß eingestuft wird, ist in Italien die grobe “Semola grossa”, während die feine Semola, die auch zur Pastaherstellung genutzt wird, in der Feinheit ihres Mahlgrads hier eher mit Mehl vergleichbar wäre.
Mehle werden in Deutschland allerdings nicht nach ihrem Mahlgrad, sondern ihrem Mineralstoffgehalt unterschieden und bestehen aus Weichweizen. Hartweizen hingegen ist eine andere Weizensorte, die sich unter anderem durch ihren hohen Glutengehalt und eine intensive gelbe Farbe auszeichnet und die mit Vorliebe in warmen Gebieten der Welt gedeiht. In Deutschland kennt man Hartweizen deshalb eigentlich nur als Grieß.
Hervorragende Pasta finden – wenn man weiß, wie
Die im Test berücksichtigten, eigentlich fast durch die Bank weg eher schlechten bis durchschnittlichen Pastasorten stammen anscheinend alle aus dem Angebot durchschnittlicher deutscher Supermärkte oder Biomärkte. Dabei könnte man auch hier hervorragende Pasta kaufen, wenn man sich etwas Mühe gäbe.
Die wichtigsten Hinweise auf ein gutes Pastaprodukt stehen ohnehin auf der Packung. Zum Beispiel die Formulierung „Trafilata al Bronzo“. Denn die beste getrocknete Hartweizenpasta wird durch Bronzeformen (oder zumindest durch Metall) gepresst. Das sorgt im Gegensatz zu großindustriellen Teflonformen für eine raue Oberfläche, die wiederum dafür sorgt, dass die Pasta sich ideal mit der Soße vereint.
Man kann dies auch an der Oberfläche der Pasta erkennen: Oft sieht Pasta Trafilata al Bronzo nicht nur rauer und matter, sondern dadurch auch etwas heller aus, fast wie bemehlt. Sicherheit gibt auch das von der EU vergebene IGP-Siegel Pasta di Gragnano (das im Spaghetti-Test nicht einmal erwähnt wird), das neben der Verwendung von Bronzeformen auch den Einsatz von Quellwasser aus den nahe gelegenen Monti Lattari und die komplette Produktion auf dem Gebiet der Gemeinde Gragnano vorschreibt.
Der wichtigste Faktor für gute Qualität von Pasta
Noch besser ist es natürlich, wenn auch der verwendete Weizen regional erzeugt wird oder zumindest aus Italien stammt. Tut er das, schreibt der Produzent das meist stolz aufs Etikett, denn das EU-Siegel gibt leider nicht die Herkunft des Getreides vor. Solo Grano Italiano oder 100% Grano Italiano sind Formulierungen, die darauf aufmerksam machen.
Wie bei anderen Lebensmitteln, hilft bei der Pasta-Orientierung im Supermarkt neben den optischen Faktoren aber auch ein Blick auf den Preis, der naturgemäß bei besseren Produkten höher ist. Und da in fast allen Pastapackungen im Supermarkt irgendwo ein kleines Fenster (dessen Fehlen dem Tester bei den Spaghetti von Barilla immerhin ein Kommentar wert ist) eingebaut ist, durch das man die Pasta sehen kann, wird man schnell feststellen: Die teuersten Produkte haben oft auch die raueste, matteste, handwerklichste Anmutung. Nicht umsonst ist das Sichtfenster laut EU-Verordnung für IGP-Pasta sogar verpflichtend.
Der wichtigste Faktor für gute Qualität von Hartweizenpasta aber wird dann sogar vollständig im Test verschwiegen. Ob aus Ignoranz oder Unwissenheit kann man nur mutmaßen. Es ist der Hinweis auf den Trocknungsprozess der Pasta.
Hochwertige Pasta trocknet bei niedrigen Temperaturen in einem langen, teilweise mehrere Tage dauernden Prozess. Dadurch werden die Eiweiße, allen voran das Gluten, sowie die Stärke in ihrer natürlichen Form erhalten. Das macht die Pasta nicht nur besser verdaulich, es sorgt auch für einen viel besseren Geschmack. Langsam getrocknete Pasta nimmt Flüssigkeit (und damit auch Soßen und Gewürze) besser auf und hat durch ihre natürliche Eiweißstruktur eine elastischere, weichere Konsistenz.
Die Höhe und Breite der Straßen in Gragnano wurden auf die Trocknung von Pasta ausgerichtet
Die Trocknung von Pasta war in Gragnano einst so wichtig, dass Mitte des 19. Jahrhunderts sogar die Breite der Straßen und die Höhe der Häuser so geplant wurden, dass der Wind die früher noch unter freiem Himmel trocknende Pasta ideal erreichen konnte. Heute wird billige Industriepasta bei hohen Temperaturen in kürzester Zeit mehr getoastet als getrocknet. Dadurch verliert sie an Geschmack und Konsistenz. Die Stärke verkleistert und die natürlichen Proteine gerinnen. Dabei ist gerade die Stärke im Kochwasser der Pasta ein wichtiges Hilfsmittel, das jeder ernstzunehmende Pastakoch in fast jedem Rezept zur Bindung des Sugo einsetzt.
Totgetrocknete Industriepasta an der Optik erkennen
Man erkennt industriell “totgetrocknete” Pasta häufig an ihrer glatten Struktur und eher dunkelgelben Farbe, die nichts mehr mit dem strohgelben Hartweizen zu tun hat. Die meisten Hersteller vermerken die aufwendige Trocknungsmethode bei niedrigen Temperaturen oft mit dem Schlagwort „Lenta Essiccazione“ auf der Packung. Denn leider ist auch diese so wichtige Vorgehensweise in keiner EU-Verordnung festgelegt. Die Farbe guter getrockneter Pasta kann variieren, mal ist sie mattgelb, mal fast schon weißlich-gelb.
Ein anderer Hinweis auf gute Pasta ist ihr Duft: Öffnet man die Packung, sollte einem ein angenehmer Getreideduft entgegenkommen. Gart man die Pasta und probiert sie pur aus dem Kochwasser, schmeckt man diese Getreidearomen ebenfalls deutlich und angenehm heraus.
„Bei Nudeln mit ‚herrlich duftend‘ zu werben, ist etwas übertrieben“, findet allerdings der von der SZ befragte Koch. Dass dies zumindest auf die von ihm getesteten Kandidaten zutrifft, liegt wohl an einem Grundproblem, das wir auch bei vielen anderen Lebensmitteltests, allen voran beim Olivenöl Extra Vergine, in sogenannten Fachpublikationen beobachten. Solange man sich bei der Auswahl der Testkandidaten weigert, Spitzenprodukte zu berücksichtigen, wird man echte Spitzenqualität nie kennenlernen. Von fehlender Transparenz und möglicherweise anderen Interessen ganz zu schweigen.
Empfehlenswerte Hersteller von Pasta
Empfehlenswerte Pastahersteller, die handwerklich arbeiten und die wir in der Splendido-Küche gerne im Haus haben, sind allen voran die in Deutschland etwas schwerer, aber doch mit etwas Mühe erhältliche Marke Setaro, die Produkte von Monograno Felicetti, Martelli, Mancini, aber auch Garofalo (mit IGP Siegel aus Gragnano), La Molisana oder Faella. Bietet ein Supermarkt mal so überhaupt keine größere Auswahl, macht man aber auch mit dem Industrieriesen De Cecco nicht allzuviel verkehrt, auch wenn dieser seinen Weizen teilweise aus Übersee bezieht.
Es lohnt sich bei Pasta in Qualität und Handwerk zu investieren. Duft und Biss bleiben so keine uneingelösten oder als übertrieben empfundenen Versprechen und im Gegenteil zu vielen anderen Zutaten in der Küche beträgt der Preisunterschied oft nur wenige Euro. Sie sind den Genuss wert.