Panettone

Der Unterschied:
Panettone und Pandoro

Panettone und Pandoro sind die beiden großen italienischen Festtagskuchen. Worin unterscheiden sie sich, wie erkennt man Qualität und warum ist es so schwer, sie selbst zu backen?

Von Juri Gottschall

Wer schon einmal zwischen Anfang Oktober und Weihnachten einen italienischen Supermarkt, eine Bäckerei, einen Feinkostladen oder ein Restaurant besucht hat, weiß, was sich in den unzähligen, zu Bergen aufgetürmten Geschenkschachteln verbirgt: Panettone in allen Design- und Geschmacksvariationen. Egal ob favorisierter Fußballverein oder Lieblingslikör, der passende Panettone ist nie weiter entfernt als die nächste Supermarktkasse. Dabei sorgt die industrielle Vielfalt des Traditionsprodukts leider mitunter für eine gewisse Entfremdung vom Original. Einen echten Panettone zu backen ist hohe Kunst und die Missverständnisse darüber zahlreich.

 

Panettone ein Hefekuchen?

 

Was also ist nun ein echter Panettone und wie erkennt man ihn? Der in Deutschland verbreitetste Irrtum ist die immer wieder zitierte Behauptung es handle sich bei eine Panettone um einen Hefekuchen. Bei Hefe denkt man hierzulande allerdings an Back- oder Bierhefe. Dabei besteht ein Panettone per Definition vor allem aus Weizensauerteig (auch genannt Lievito Madre oder etwas unglücklich übersetzt Mutterhefe). Dazu kommen Eier, Zucker, Butter und kandierte Früchte.

Backhefe bzw. Bierhefe hat darin nichts verloren. Der Panettone ist also eigentlich, wie die Herleitung seines Namens (Pane) schon vermuten lässt, viel mehr ein süßes Brot als ein Kuchen. Im Spiel der natürlichen Säure des Sauerteigs in Kombination mit den Aromen von Orangen, Rosinen und Vanille liegen die Faszination seines Geschmacks und die Kunst seiner Zubereitung.

 

Panettone selber backen ist ein schwieriges Unterfangen

 

Und die hat es wirklich in sich. Jeder, der schon mal versucht hat, mal eben einen Panettone nach Rezept zu backen, weiß, dass es sich hierbei um ein schwieriges Unterfangen für den durchschnittlichen Hobbybäcker handelt. Allein der Zeitaufwand von mehreren Tagen und das nötige umfangreiche Wissen von Mehlsorten und Teigführung, lassen die meisten Versuche scheitern. Das heimische Backen eines guten Panettone braucht ein solches Maß an Erfahrung, dass es nebenbei oder als einmaliges Experiment nicht zu machen ist. Zumindest nicht, wenn man nicht schon seit Jahren auf hohem Niveau und beinahe im ehrenamtlichen Zweitberuf Brot backt, über die Jahre viel Zeit und Experimentierfreude zum Einsatz gebracht hat und gut mit Enttäuschungen umgehen kann.

 

Woran erkennt man einen guten Panettone?

 

Und selbst wenn man gar nicht am Selbstbacken interessiert ist, erfordert der Fund eines richtig guten Panettone an sich schon viel Erfahrung und gutes Gespür. In alljährlich stattfindenden Panettone-Wettbewerben messen sich Italiens Bäcker in den Wintermonaten aufs Neue mit ihrem Gebäck. Und jedes Jahr ist jemand dabei, dem sein Panettone schon wieder ein Stück saftiger, luftiger, aromatischer gelungen ist als jemand anderem. Vom “besten Panettone der Welt” bis hin zu zahlreichen Unterkategorien reichen die Abstufungen. Sieger gibt es in vielen Kategorien und neben den üblichen Verdächtigen der italienischen Pasticceria-Szene kommen sie gerade in den letzten Jahren auch immer wieder aus der klassischen Sternegastronomie. Es gibt heute kaum einen hochdekorierten Koch, der zur Weihnachtszeit keinen eigenen Panettone in den Handel bringt.

 

Je kürzer die Zutatenliste, desto besser

 

Aber egal ob preisgekrönt oder nicht, Erkennungszeichen für einen richtig guten Panettone ist vor allem das, was auch für viele andere Lebensmittel gilt: Eine kurze Zutatenliste, die Abwesenheit von künstlichen (und am besten überhaupt) Aromen, möglichst keine stabilisierenden Zusatzstoffe wie Mono- und Diglyceride und eine überschaubare Haltbarkeit. Besteht das Gebäck aus dem, was man üblicherweise auch in der heimischen Küche findet und bleibt es nicht monatelang frisch, stehen die Chancen gut, dass man es mit einem handwerklich hergestellten Qualitätsprodukt zu tun hat.

Die Legenden von seiner Entstehung sind übrigens so vielfältig, dass eigentlich keine von ihnen historisch haltbar sein kann. Mal heißt es, ein kreativer Küchenjunge hätte ihn sich ausgedacht (eine Geschichte, die auch gerne bei anderen großen Gebäcken wie z.B. der Sachertorte bemüht wird). Mal war es ein verliebter Ritter, mal eine arme Nonne. Fast alle zur Legendenbildung geeigneten italienischen Metaphern sind in verschiedenen Variante überliefert. Was sie alle gemeinsam haben: Sie spielen meist in Mailand und liegen einige hundert Jahre zurück. Zumindest zeitlich und geografisch lässt sich der beliebte Weihnachtskuchen also einordnen.

Der Pandoro, der zweite große Weihnachtskuchen

 

Doch wie fast alle großen Spezialitäten ist auch der Panettone als berühmter Kuchen zur Weihnachtszeit nicht allein. Sein Mitbewerber ist der Veroneser Pandoro. Der typischerweise in einer sternförmigen, hohen Form gebackene Verwandte des Panettone kommt ohne Früchte und starke geschmacksgebende Zutaten aus. Charakteristisch ist seine extrem leichte, flaumige Textur und seine intensive gelbe Farbe. Die kommt von dem verwendeten Eigelb und gab dem Kuchen seinerzeit seinen Namen Pandoro, goldenes Brot. Seine exzentrische Form und Eleganz lassen die Herkunft aus der Republik Venedig erahnen. Bis heute gilt er vor allem in Verona als heimisch, während man den Panettone eher als Milanesen begreift.

Auch Pandoro gibt es natürlich vor allem aus großindustrieller Herstellung, häufig mit dem Zusatz zahlreicher zweifelhafter Zutaten. Das Handwerksprodukt hingegen besteht vor allem aus Sauerteig, Zucker, Eiern und etwas Zitronenschale. Das Geheimnis seiner Zubereitung liegt in tagelangen Reifezeiten des Teigs. Serviert wird er in großen, gern auch mal horizontal heruntergeschnittenen Stücken, die sodann mit mit reichlich Puderzucker bestäubt werden und auf dem Teller liegen wie ein etwas eingeschneiter Stern.

 

Handwerklich hergestellte Panettone und Pandoro haben mit dem Industrieprodukt wenig zu tun

 

Wer noch nie handwerklich hergestellten Panettone oder Pandoro probiert hat, sollte dies dringend nachholen. Es eröffnen sich neue geschmackliche Welten und das Original hat mit dem Industrieprodukt nur noch wenig zu tun. Der Stolz und das große Können italienischer Bäcker zeigen sich in wenigen Rezepturen so deutlich wie bei den “Gran Lievitati”, den großen Festtagskuchen.

Foto oben: Renato Bosco