Schinken Emilia Romagna

Der Unterschied:
San Daniele und Parmaschinken

San Daniele und Parmaschinken sind die bekanntesten Schinkensorten Italiens. Hier erklären wir den Unterschied zwischen den beiden Traditionsprodukten und erzählen außerdem vom König der italienischen Schinken: Culatello

Von Juri Gottschall

Italien ist nicht nur das Land von Pasta und Käse, es ist auch das Land des Schinkens. Sieht man vom äußersten Süden ab, hat fast jede Region Italiens eine Schinkenvariante für die sie berühmt ist. Angefangen im höchsten Norden mit dem Südtiroler Speck bis zu den Bergen der Toskana und Umbriens, werden fast überall Schweinekeulen geräuchert und/oder luftgetrocknet.

 

Die Emilia-Romagna: Der Speckgürtel Italiens

 

Die höchste Konzentration und Vielfalt findet sich in der Emilia-Romagna, dem sogenannten Speckgürtel Italiens – jener Region, die ein paar der berühmtesten Spezialitäten der Welt hervorgebracht hat und in der Essen noch viel mehr einer strengen Religion gleicht als in anderen Gegenden des ohnehin schon essensverrückten Landes. In Parma, genauer im im kleinen Ort Langhirano, entstand vor Jahrhunderten nicht nur der Parmigiano Reggiano, sondern auch eine andere Spezialität von Weltruhm: Der Parmaschinken. Um ihn zu verstehen, geht man am besten in Parma essen. Oder zumindest einkaufen. Prosciutto di Parma begegnet einem hier überall. Parmaschinken ist ein Massenprodukt. Die Produktion ist riesig und versorgt die ganze Welt. Und dennoch ist Parmaschinken ein Produkt von hoher Güte, das streng kontrolliert wird und sich von billigem Rohschinken besonders durch seine völlige Abwesenheit von Zusatzstoffen unterscheidet.

 

So viel Tradition und so wenige Zutaten wie möglich

 

Die Herstellung ist seit Jahrhunderten dieselbe und sie ist ausgesprochen italienisch: So viel Tradition und so wenige Zutaten wie möglich. Zur Verwendung kommen nur Schweine der Sorten Landrace, Big White und Duroc, die in einem fest begrenzten Gebiet innerhalb zehn nord- und mittelitalienischer Regionen geboren, aufgezogen und geschlachtet werden. Mindestens neun Monate lang werden sie ausschließlich mit Getreide gefüttert und mit der Molke, die bei der Herstellung von Parmigiano Reggiano anfällt. Dieser Kreislauf ist nicht nur eine schönes Bespiel für die sinnvolle Verwendung der Produkte einer Region, er sorgt auch für den charakteristischen Geschmack des Fleisches. Nach der Schlachtung werden die Keulen vom Maestro Salatore, einem in Italien wichtigen und sehr ernst genommenen Berufszweig, mit der genau richtigen Menge trockenen und feuchten Meersalzes eingerieben.

 

ParmaAuslage eines Geschäfts in der Innenstadt von Parma

 

Die Dosierung ist Erfahrung und erfolgt immer von Hand. Danach wird das Fleisch in einem streng festgelegten Prozess erst gekühlt, dann abgewaschen, erneut gesalzen und letzten Endes in den charakteristischen Hallen zum Trocknen aufgehängt. Diese Räume haben große, offene Fenster, durch die die Winde vom Meer herüberziehen und für einen ständigen Luftaustausch sorgen. Der Schinken verliert so immer mehr Flüssigkeit, wird mürbe und zart. Nach sieben Monaten kommt er in den Keller zum Reifen. Frühestens nach insgesamt einem Jahr wird er überprüft und darf als Parmaschinken verkauft werden. Auch hier bestimmt wieder die Tradition: Die Überprüfung erfolgt durch eine Geruchsprobe, die ein Mitarbeiter des Konsortiums für Parmaschinken mit einem spitzen Pferdeknochen an genau festgelegten Stellen des Schinkens nimmt. Weitere Zutaten oder Arbeitsschritte gibt es nicht: Kein Nitrit, kein Nitrat, keine Konservierung. Nur Fleisch und Salz.

 

Pio Tosini Parma
Pio Tosini in Langhirano ist einer der renommiertesten Produzenten für Parmaschinken

 

San Daniele: Im venezianischen Voralpenland

 

Ähnlich geht es auch in San Daniele zu, dem Ort in Friaul-Julisch Venetien, in dem der zweite große italienische Rohschinken produziert wird. Zwar ist die Produktion hier viel kleiner und die klimatischen Bedingungen sind am Rande der Alpen im venezianischen Voralpenland völlig anders, das Grundprinzip ist aber dasselbe. Auch hier werden ausschließlich italienische Schweine, die sich ausschließlich von Getreide und Molke ernährt haben, herangezogen. Auch diese Keulen werden eingesalzen. Allerdings werden sie dann nicht so lange alleine gelassen: Bereits nach einer Woche wird das Salz wieder entfernt, der Schinken wird wiederholt abgewaschen, massiert, erneut eingesalzen und schließlich in seine charakteristische Form gepresst. Die offenen Stellen des Fleisches werden, wie beim Parmaschinken auch, mit Schmalz verschlossen. An seiner Form und am Huf, das am Ende des Beines belassen wird, erkennt man den Schinken später sofort. Auch in San Daniele reift der Schinken in belüfteten Räumen und auch hier dauert die gesamte Herstellung mindestens zwölf Monate.

Im Vergleich zum Parmaschinken schmeckt San Daniele Schinken süßer und milder. Außerdem wird deutlich weniger davon hergestellt. Die Parmaschinken-Produktion ist fast dreimal so groß.  Das heißt allerdings nicht, dass der Schinken aus der Emilia-Romagna qualitativ schlechter sein muss. Wie immer kommt es auf den Produzenten an. Ähnlich wie auch beim Parmigiano Reggiano, lassen kleinere Betriebe ihre Schinken weit länger als die vorgegebenen 12 Monate reifen. Ein hochwertiger, bis zu drei Jahren gereifter Parmaschinken entwickelt ein Vielfaches an Aroma. Man erkennt ihn häufig an der Bezeichnung Riserva. Beide Schinken sind von EU mit einem DOP Siegel geschützt und unterliegen einer genauen Definition ihrer Herstellung. Alle Schritte der Produktion müssen in einem fest definierten Gebiet stattfinden.

Der König der Schinken

Wer den wahrscheinlich feinsten und besten aller italienischen Schinken probieren möchte, bleibt am besten in der Emilia-Romagna: Culatello di Zibello wird nur in wenigen Dörfern entlang des Flusses Po produziert und gilt zu Recht als König der Rohschinken. Die ausschließlich im Freien und unter natürlichen Bedingungen lebenden Schweine der Rassen Nera Parmigiana und Mora Romagnola ernähren sich nur von dem, was sie in der freien Natur finden.

Culatello di ZibelloCulatello di Zibello reift im Keller der Antica Corte Pallavicina

Sie werden erst nach zwei Jahren geschlachtet, ihr Fleisch wird sodann mit Rotwein und Knoblauch eingerieben und in einer Schweineblase zum Trocknen im Keller aufgehängt. Dort, in den feuchten Gebieten am Rande des Flusses, siedeln sich Schimmelpilze auf der Oberfläche des Schinkens an, die durch ihre Enzyme für den charakteristischen Geschmack sorgen. Erst nach zwei Jahren kommt Culatello di Zibello DOP in den Handel. Er kostet ein Vielfaches des besten Parmaschinkens und ist mit dem Massenprodukt in Geschmack und Qualität nicht annähernd zu vergleichen. Wer an Culatello denkt, verbindet ihn vor allem mit einem Namen: Massimo Spigaroli und seiner Antica Corte Pallavicina. Spigaroli ist der König des Culatellos, er produziert die Spezialität für jedes Spitzenrestaurant und ein Gang durch die Reifekeller seines Landguts gleich dem Blättern in allen Michelin Guides dieser Welt. Nebenbei unterhält er zwei Restaurants, von denen eines mit einem Michelin Stern ausgezeichnet ist, und hält in seinem Gut ein paar Zimmer zur Übernachtung bereit. Ein Besuch mit angeschlossenem Essen ist ein Erlebnis, das man nicht mehr vergisst.