Die Bücher, Teil V

Pünktlich zur Weihnachtszeit erzählen wir mal wieder aus unserem Bücherregal.

Von Mercedes Lauenstein

Genauso wie bei den Lebensmitteln und Küchengeräten, die wir in der Küche verwenden, gilt auch für unsere hier empfohlenen Kochbücher und Buchempfehlungen: Alle Empfehlungen sprechen wir aus tiefster Überzeugung und echtem Interesse aus. Wir werden nicht von den Herstellern bezahlt und haben alle hier gezeigten Gegenstände von unserem eigenen Geld gekauft.

Kochbücher! Wir kochen eigentlich gar nicht besonders oft aus Kochbüchern, besitzen auch gar nicht besonders viele, aber die, die wir besitzen, lieben wir sehr. Sie sind uns wahrscheinlich mehr Inspirationsgenerator, Appetitanzünder und allgemeiner Stimmungsaufheller als reine Kochanleitung. In dieser Rubrik stellen wir einmal im Jahr in der Weihnachtszeit ein paar Bücher aus unserer Bibliothek vor, und warum wir nicht auf sie verzichten möchten. Manchmal überschreiten wir dabei auch das Genre Kochbuch und empfehlen von uns verehrte Sachbücher oder Romane, die ebenfalls im weitesten Sinne mit Italien zu tun haben.

Hier geht es übrigens zu unseren sehr empfehlenswerten eigenen Kochbüchern, dem Splendido Kochbuch I und dem Splendido Kochbuch II, beide ausgezeichnet mit dem Deutschen Kochbuchpreis. Im März 2025 erscheint außerdem unser drittes Kochbuch, es ist bereits vorbestellbar.

Viel Freude mit unseren Buchempfehlungen!

PS: Ältere Folgen der Buchempfehlungen gibt es hier nachzulesen:

Folge I, Folge II, Folge III, Folge IV.


Andreas Caminda

Andreas Caminada. Pure Leidenschaft. Meine einfache Küche.

Der Schweizer Sternekoch Andreas Caminada ist für sein kulinarisches Wirken auf Schloss Schauenstein weltberühmt. Längst betreibt er mehrere Restaurants an verschiedensten Standorten, auch Kochbücher gibt es mittlerweile mehrere in seinem Namen.

Sein Buch Pure Leidenschaft ist sein erstes und es ist von der lokalen, bodenständigen und sehr einfachen Produktküche seines Gasthauses Casa Caminada in Fürstenau inspiriert. Bei den Schlagworten bodenständig, einfach, Produktküche ahnt ein jeder Splendido-Leser schon, warum dieses Buch uns so begeistert: Es geht hier um das Wesentliche.

Das Buch ist voll einfacher und seelenwärmender Rezepte der Bündner Küche, die mit ihren meist extrem kurzen Zutatenlisten sofort zum Nachkochen anregen. Trotz oder wegen der radikalen Einfachheit lernt man auf jeder Seite Neues über Zutaten, ihre Erzeuger und Zubereitungsmethoden. Man wird angehalten, die eigenen Kräuterkenntnisse und Kochtechniken zu optimieren und taucht – nicht nur dank der stillen, majestätischen und jahrhundertschweren Landschaftsfotografien von Gaudenz Danuser – tief ein in die alpenländische Vegetation und ihre Traditionen. Das ganze Buch hindurch ist die balsamische Klarheit von rauen Felsen, klaren Bergbächen und Bündner Wäldern zu spüren.

Bei der Lektüre macht man sich am besten Notizen, um nicht gleich alles wieder zu vergessen: Auf Seite 38 und 39 geht es um vier Mal die Zwiebel: Frittierte Zwiebeln, Röstzwiebelbutter, Röstzwiebeln und Zwiebelschmelze. Auf Seite 53 lockt ein einfaches Radieschenbrot mit Senfmayonnaise. In einer Liebeserklärung an die Schweizer Käsesorten notiert man sich Willi Schmids Hölzig Geiss aus dem Toggenburg, ein in Fichtenrinde eingeschlagenen Ziegenweichkäse. Und auch der prämierte Bergkäse Andeerer Traum des Senner- und Affineurenehepaars Maria Meyer und Martin Bienerth kommt sofort auf die Einkaufsliste für die nächste Schweiz-Fahrt.

Auf S. 79 will man sofort die Bizochels nachmachen, aus nichts als Mehl, Quark, Eiern, Salz, Pfeffer, Muskatnuss, brauner Butter, krauser Minze und Bergkäse. Capuns! Maluns! Siedfleisch. Eingelegte Bärlauchblüten, Schwarze Nüsse mit Sternanis, Brotsuppe. Ein Buch wie ein Kurztrip in die Schweiz.

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Laura Lazzaroni. The New Cucina Italiana.

Laura Lazzaroni. The New Cucina Italiana. What to eat, what to cook & who to know in Italian cuisine today.

Dieses Buch ist ein Weiterbildungs-Muss für alle, die Italien und seine Küche seit jeher lieben, aber irgendwie immer noch denken, es bestünde hauptsächlich aus lustigen Pasta-Omas an karierten Tischdecken oder dicken, vor alten Vespa-Motorrollern posierenden Pizzabäckern namens Mario. Natürlich haben Klischees einen wahren Kern, und in Italien haben sie vielleicht einen noch wahreren Kern als anderswo, und natürlich gibt es alte Autos, kleine Espressotässchen, lustige Pasta-Omas, Motorroller und Pizzabäcker namens Mario. Viele Italiener kokettieren selbst damit. Viele aber auch nicht.

Denn es gibt in Italien eine sehr moderne, sehr innovative, sehr zeitgemäße italienische Esskultur, die sich nicht selten so präsentiert, wie wir bei Splendido versuchen unsere Website zu gestalten, unser Essen zu fotografieren und über italienisches Essen zu schreiben: nicht geschichtsvergessen, nicht traditionsvergessen, nicht respektlos, absolut klassisch und geradeaus. Aber gleichzeitig modern, sinnvoll reduziert, geistig offen, experimentierfreudig und voller Intentionen und nach vorn gerichtetem Unternehmergeist.

Dieses Italien ist noch immer unterrepräsentiert. Umso befriedigender, dass die Mailänder Journalistin und Sauerteigexpertin Laura Lazzaroni nun in ihrem großen Buch The New Cucina Italiana einen Versuch der angemessenen Repräsentation gewagt hat.

Das Buch ist eine helle Freude für jeden, der sich ganz allgemein fürs Kochen und für die Gastronomie interessiert, und es ist weit mehr als nur ein Kochbuch. Es ist eine Reise direkt ins Herz der modernen italienischen Gastronomieszene und wer sich dort nur ein klein bisschen auskennt, begegnet darin vielen Bekannten, die es verdient hätten, längst auch in Deutschland berühmter zu sein.

Deshalb ist es auch so schade, dass man dieses Buch bisher nur auf Englisch bekommt. Die Lektüre lohnt sich gerade für italienverliebte Deutsche, wenn sie auf ihren Reise wirklich wissen wollen, wo sie aufhorchen und mal essen gehen sollten und was italienische Küche heute bedeuten kann. Und so stehen im Mittelpunkt dieses Buchs auch wirklich die aktuell wichtigsten Köche des Landes: Niko Romito, Riccardo Camanini, Antonia Klugmann, Isabella Potì und Floriano Pellegrino, Franco Pepe, Diego Rossi, Francesco Capuzzo Dolcetto , und viele, viele mehr.

Von ihnen und ihrem Zugang zur italienischen Küche und ihren Zutaten lässt sich innerhalb weniger Stunden eine echte innere Software-Aktualisierung des deutschen Italienbilds herstellen. Nebenbei ist das Buch wie gesagt auch ein kleiner kulinarischer Reiseführer: jeder erwähnte Koch hat schließlich eine Wirkungsstätte, die man besuchen und bereisen kann, von der Lombardei bis Kampanien.

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Sebastian Heinrich. Kurz gesagt: Italien.

Dieses Buch haben wir eigentlich nur entdeckt, weil der Suhrkamp-Verlag uns bat, eine Fotografie von Juri Gottschall für das Cover verwenden zu dürfen. Splendido-Leser erkennen den nun darauf abgebildeten selbstfahrenden Strandkiosk sofort wieder. Sebastian Heinrich ist Politik-Journalist, hat einen Großteil seiner Schulzeit in Neapel verbracht und eine zur Hälfte italienische Familie. Außerdem betreibt er seit 2022 einen Podcast und Newsletter über Italien. Wir kannten vor diesem Buch weder den Podcast noch den Newsletter – aber besser spät, als nie. Denn kaum hatten wir das Buch aufgeschlagen, waren wir auch schon gefesselt.

Sebastian Heinrich hat ein tiefgründiges, intelligentes, ernstes, aber auch sehr lustiges und rundherum bereicherndes Italien-Buch geschrieben. Entlang unübersetzbarer italienischer Begriffe (Dietrologia, Cinepanettone, Papeete, Ferragosto, Mezzogiorno, Berlusconismo, Merendina usw.) eröffnet er extrem fundiert und niemals oberflächlich plaudernd Geschichten über das Land, seine Politik und seine Menschen. Er erklärt Klischees, erzählt von streitbaren Weihnachtsfilmen, Terrorismus und Verschwörungsglauben, Industriegeschichte, Autogrill, Caffèkultur, Popmusik und Fußball-Wahnsinn, stellt von Arbërisht bis Zimbrisch Italiens Minderheitssprachen vor und macht nebenbei noch Appetit auf Ferragosto-Spezialitäten wie Pollo e Peperoni.

Selbst wenn man glaubte, schon sehr viel über die italienische Geschichte zu wissen, weiß man nach der Lektüre noch einmal doppelt soviel. Und kann dadurch, um auch schon zu unserer nächsten Buchempfehlung überzuleiten, Autoren wie Natalia Ginzburg gleich noch besser in ihrem historischen Kontext verstehen und nachempfinden.

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Natalia Ginzburg. Das imaginäre Leben.

Man kann und sollte nicht abstrakt über Natalia Ginzburg schreiben, man muss sie einfach lesen. Ihre Sprache ist so klar und wahr, und ihr bereits 1974 erschienenes Büchlein La Vita Immaginaria ist neben Die kleinen Tugenden und Das Familienlexikon eines ihrer schönsten und besten, und wer kann, sollte sie auch ausschließlich auf Italienisch lesen. Wer nicht kann, kauft im für seine italienischen Literatur-Spezialitäten berühmten Wagenbach-Verlag die übrigens erst kürzlich wieder aufgelegte Übersetzung von Maja Pflug.

Natalia Ginzburg versammelt in Das imaginäre Leben wunderschöne Kurzgeschichten und persönliche Essays, die das Leben und seine Widersprüchlichkeiten und all die dazugehörigen schrecklichen Gefühle und Gedanken auf den Punkt bringen. Es geht um das Jungsein und Altsein und das Lieben und Leiden, und die vielen Illusionen, die man sich macht und um Politik, Berufe, Natur, Solidarität und Egoismus, um Häuslichkeit und Gemeinschaft, Reisen oder Nichtreisen, Männer und Frauen – kurz gesagt: um alles.

„Vielleicht dazu geboren, Emigranten oder Flüchtlinge zu sein, gelingt es diesen ungeschickten Reisenden nicht, sich in Touristen zu verwandeln. Und das Seltsame ist, dass sie, da sie sich nicht gewünscht haben zu reisen, nicht einmal wünschen, nach Hause zurückzukehren: weil sie den Verdacht hegen, während ihrer Abwesenheit sei an den gewohnten Orten etwas ihnen Fremdes und Feindseliges aufgekommen.

Zuletzt gehen sie in einen Laden und kaufen einen verstaubten Eierbecher; sie bereuen es sofort, denn sie denken daran, dass in ihrem Land die Tabakläden jedes abgelegenen Fleckens oder Dorfes voll von ähnlichen verstaubten Eierbechern sind.“

(Aus dem Essay Ungeschickte Reisende)

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Klaus Wagenbach: Mein Italien, kreuz und quer.

So irreführend dieser Titel klingt (als plaudere Wagenbach selbst unablässig in diesem Buch über sein Verhältnis zu Italien), so überzeugend ist das, was sich tatsächlich darin verbirgt: Klaus Wagenbach selbst ist nämlich weder Autor noch Thema, sondern nur Herausgeber. Und zwar von einer Sammlung verschiedenster von ihm heißgeliebter Erzählungen italienischer Schriftsteller, die ganz für sich selbst sprechen: Mehr als einhundert Texte hauptsächlich aus der italienischen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts, unter anderem die mittlerweile so gut wie vergessene italienische Journalistin Camilla Cederna.

2024 ist dieses erstmalig 2004 erschienene Buch nun auch noch einmal in aktualisierter Fassung erschienen. Eine so schöne Sammlung teils kurzweiligster literarischer Perlen aus Italien findet sich selten (höchstens noch in dem nur auf italienisch und englisch erhältlichen Band Racconti italiani der herausragenden Jhumpa Lahiri). Man will immer weiterlesen, weiterlesen, weiterlesen und durch das Land und die Jahrzehnte reisen mit den Autoren, rein in die Städte und Dörfer, in die Häuser, in die Gedanken der Protagonisten, und zum Kern des Seins. Dieser Kern nämlich bleibt zeitlos, auch wenn die Texte mittlerweile alt sind, sehr alt, und das Land heute auch nicht mehr das gleiche ist. Und auch der große Klaus Wagenbach ist tot – doch sein Verlag und die von ihm verlegten Bücher leben noch, und das ist wirklich ein Glück.

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