Ribollita

Doppelt gekocht

Es gibt Gerichte, die schmecken aufgewärmt noch viel besser als frisch. Kein Gericht bringt dieses Prinzip so auf den Punkt wie die Ribollita.

Von Mercedes Lauenstein

Wenn die Tage wieder kürzer und kälter werden, ist es Zeit für Suppen. Weltranglistenführer in Sachen Suppenkompetenz ist bekanntlich die Toskana. Eine ihrer berühmtesten und seelenwärmendsten Spezialitäten ist die Ribollita, und wer einmal eine gute gegessen hat, weiß: ein Herbst ohne Ribollita ist wie ein Sommer ohne Eis.

Wie der Name bereits erahnen lässt, ist eines der Hauptmerkmale dieser kräftigen Suppe, dass es sich dabei um ein mehrmals wiederaufgekochtes Gericht handelt. Einige Rezepte schreiben gar vor, sie mindestens zwei Mal vollständig abkühlen und wieder aufkochen zu lassen ehe man von einer echten Ribollita sprechen dürfe.

 

Die Ribollita – mehr Eintopf als Suppe und Tag für Tag deftiger

 

Zumindest am Tag seiner Herstellung ist dieses Gericht also noch keine echte Ribollita, sondern noch eine Art Minestrone, eine kräftige Gemüsesuppe aus Bohnen, Kohl und Tomaten. Der große italienische Kochbuchautor Pellegrino Artusi nennt diese Basis-Suppe Zuppa toscana di magro dei contadini. In vielen toskanischen Bauernhäusern wurde sie anlässlich der sogenannten giorni di magro zubereitet, jenen Tagen, an denen der Verzehr von Fleisch und anderen tierischen Produkten aus religiösen Gründen untersagt war. Man kochte freitags große Mengen einer bäuerlichen Gemüsesuppe und wärmte ihre durchgezogenen Reste dann unter Beigabe von reichlich altem Brot und Olivenöl an den darauffolgenden Tagen mehrmals wieder auf – ab diesem Zeitpunkt handelte es sich um eine Ribollita. Mehr Eintopf als Suppe und Tag für Tag deftiger und aromatischer.

Wem dies allein nicht schon genug Appetit bereitet, denke nur einmal daran, was für ein Hochgenuss die Ribollita erst direkt nach der Olivenernte ist, wenn man großzügig vom grasgrünen olio nuovo darüber geben kann.

Achtung, alle nun folgenden Mengenangaben sind wie immer lediglich Richtwerte, kein Grund die Küchenwaage auszupacken, Bauchgefühl reicht.

 

Rosmarin und Bohnen – eine unschlagbare Kombination

 

Für eine Ribollita, von der vier hungrige Personen satt werden, besorge man: gut 500 Gramm getrocknete Cannellini-Bohnen, gut 500 Gramm Schwarzkohl, gut 400 Gramm Wirsing, 200 Gramm Mangold, zwei Kartoffeln, zwei weiße Zwiebeln, zwei Karotten, zwei Stangen Sellerie, gut 300 Gramm geschälte Tomaten aus der Dose, gut 500 Gramm in Scheiben geschnittenes altes getrocknetes Weißbrot – idealerweise salzloses toskanisches Weißbrot. Olivenöl, Salz und Pfeffer.

Die getrockneten Cannellini-Bohnen müssen zwölf Stunden vor dem Ansetzen der Suppe in Wasser eingeweicht werden. Die Bohnen dafür unter fließendem Wasser gut abspülen und anschließend mit reichlich Wasser in einen großen Topf geben. Nach zwölf Stunden die Bohnen im selben Wasser mit etwas Salz weichkochen. Wer möchte, kann einen Zweig Rosmarin und ein paar Knoblauchzehen mit kochen. Rosmarin und Bohnen sind eine unschlagbare Kombination. Die Hälfte der Bohnen und den Rosmarinzweig danach entfernen und beiseite stellen. Den Rest der Bohnen mitsamt des Kochwassers zu einer geschmeidigen, nicht zu dickflüssigen Bohnensuppe pürieren.

 

Nach einigen Stunden ist der Zeitpunkt für das zwei Aufkochen gekommen

 

In einem schweren Schmortopf nun reichlich Olivenöl erhitzen und darin die grob geschnittenen Karotten, Zwiebeln und den Sellerie sanft anbraten, bis die Zwiebeln glasig sind. Das ebenfalls grob geschnittene restliche Gemüse dazugeben. Reicht die Flüssigkeit der Tomaten nicht aus, vorsichtig etwas Wasser dazugeben und knapp zehn Minuten leise köcheln lassen. Dann die pürierten Bohnen dazugeben und alles mit Salz und Pfeffer abschmecken. Eventuell noch einen Zweig Thymian hinzugeben. Das Gemüse sollte jetzt gerade so mit Flüssigkeit bedeckt sein.

Gut umrühren, den Deckel aufsetzen und mindestens eine gute Stunde lang auf niedriger Hitze köcheln lassen. Wenn nötig, hin und wieder etwas Wasser dazugeben. Gegen Ende der Kochzeit die schon weich gekochten Bohnen dazu geben. Das Brot in ungleichmäßige, ungefähr fingerdicke Scheiben und Stücke schneiden. Den Boden einer Schale oder eines Topfs mit Brot auslegen und von der Suppe samt Gemüse darüber geben. Dann wieder mit einer Lage Brot abdecken und erneut mit Suppe begießen. Mit diesen Schichten weiter verfahren, den Topf abdecken und bei Zimmertemperatur abkühlen lassen.

Nach einigen Stunden oder auch einem ganzen weiteren Tag, wenn das Brot die Flüssigkeit weitestgehend aufgesaugt hat, ist der Zeitpunkt für das zweite Aufkochen gekommen.

 

Öl ist bei der Ribollita nicht nur Beiwerk, sondern wichtiges Würzmittel

 

Auf kleiner Flamme alles wieder erwärmen und gut durchrühren. Es sollte nun eine dicke Masse entstanden sein, die nur am Boden ein wenig Flüssigkeit sichtbar werden lässt.
Noch einmal abschmecken (je nach verwendeter Brotsorte muss nachgesalzen werden) und in eine Schale geben. Direkt vor dem Servieren mit einem großzügigen Filo d’olio versehen. Die Ribollita entstammt einer Region, in der einige der besten Olivenölproduzenten der Welt heimisch sind. Demnach ist das Öl hier nicht nur Beiwerk, sondern wichtiges Würzmittel und Geschmacksgeber. Es sollte also weder an der Qualität noch an der Menge gespart werden.