Agretti Sardellen Kapern

Frühling am Meer

Was Gemüseauslage und Gemütslage im Frühling miteinander zu tun haben? Sie werden durch Mönchsbart erhellt. Noch besser wird’s nur mit diesem Rezept.

Von Juri Gottschall

Sobald sich die Sonne nach einem langen Winter wieder von ihrer herzlicheren Seite zeigt, gehe ich auf den Markt und beobachte die saisonale Gemüseauslage. Die Orangen werden weniger, die Artischocken mehr, meine Gemütslage heller.

Den endgültigen Frühlings-Beweis erbringen aber kleine, in Papier eingewickelte grüne Sträuße, die von weitem ein wenig wie Schnittlauch oder Gras aussehen. Und sich bei genauerem Hinsehen als dickes, fleischiges Gemüse zu erkennen geben.

 

Mönchsbart und Sardellen, salzig und frisch

 

Der Mönchsbart, italienisch barba di frate oder auch Agretti genannt, gehört für mich zur Frühlingsvorfreude wie die Entdeckung der ersten Schneeglöckchen. Mönchsbart wächst insbesondere auf Wiesen und Feldern in der Nähe des Meeres, weshalb er auch so ungewöhnlich mineralisch, salzig und frisch schmeckt.

Eine alte Grundregel in der Küche besagt, dass vor allem jene Dinge gut zusammenpassen, die aus ganz ähnlichen Gegenden kommen. Deshalb nutze ich das ohnehin schon salzige Meeresaroma des Mönchsbarts und ergänze es durch Sardellen. Dazu kommen Kapern und Zitrone. Alles Zutaten, die sich vor allem im Süden Italiens finden und dort klassischerweise in unzähligen Rezepten kombiniert werden.

 

Sardellen: Experten am Rande der Verzweiflung

 

Los geht’s: In einer großen Pfanne erhitze ich ein kräftiges Olivenöl und lasse zwei, drei Sardellenfilets darin schmelzen. Wie bei jedem Lebensmittel gibt es auch hier große Unterschiede. Sardellen sind meistens in Öl eingelegt, die besseren in reinem Olivenöl extra vergine. In Italien heißen sie acciughe oder alici. 

Der Unterschied zwischen beiden Bezeichnungen treibt selbst die best informiertesten Experten regelmäßig an den Rande der Verzweiflung. Manchmal sind acciughe in Salz und alici in Öl eingelegt, manchmal sind acciughe einfach die größeren Exemplare, die perfekt filetiert sind, während alici eher kleine, zerstückelte Reste im Glas sind. Eine wirkliche Regel gibt es nicht. Die von mir eingesetzten waren acciughe in Olivenöl.

Während die Sardellen schmelzen, wasche ich den Mönchsbart und sortiere die unschönen Stücke aus. Außerdem trenne ich die zusammengewachsenen Halme voneinander, damit sie sich später besser mit den Spaghetti mischen lassen. Die harten Enden schneide ich großzügig ab.

Die Spaghetti koche ich in reichlich Salzwasser und hacke noch etwas altes Brot zu kleinen Krümeln, die später auf das fertige Gericht kommen. Auch eine Praxis, die in Süditalien üblich ist. In diesem Fall habe ich kein einfaches Weiß- sondern ein relativ dunkel gebackenes Sauerteigbrot verwendet, was dem Gericht noch eine angenehm süß-sauer-bittere Geschmacksnuance hinzugefügt hat.

 

Ab in die Sonne

 

Jetzt gebe ich das Gemüse zu den Sardellen, dünste es kurz an und ergänze es mit etwas Kochwasser der Pasta, ein paar Teelöffeln gehackten Kapern und dem Saft einer halben Zitrone. Pfeffern und vorsichtig salzen. Sardellen und auch Mönchsbart sind schon salzig. Wer Kapern in Salz benutzt, sollte sich übrigens den guten Tipp einer befreundeten Kapernproduzentin zu Herzen nehmen: Kapern nie einfach unter fließendem Wasser abspülen, sondern in etwas Weißwein baden und das Salz damit abwaschen. Die Kombination erschafft neue Geschmacksdimensionen.

Sobald die Nudeln gar sind, werden sie mit dem Mönchsbart mit Sardellen vermengt und dann sofort angerichtet. Noch etwas Olivenöl darüber, die Brotkrümel und ein bisschen frisch geriebene Zitronenschale darauf verteilen, außerdem eine halbierte Sardelle. Dann ab in die Sonne und sich fühlen wie im Frühling am Meer, wenn die Strandbäder noch geschlossen haben und die Sonne noch nicht ganz so heiß vom Himmel brennt. Guten Appetit.