Neulich war ich mal wieder in Venedig. Ich habe dort an einem internationalen Kunstpreis teilgenommen, weil ich neben meiner Profession als leidenschaftlicher Esser unter anderem auch als Fotograf tätig bin. Leider sind Veranstaltungen dieser Art zwar immer wunderschön, aber auch von sehr viel unangenehmer Organisation geprägt. Besonders, wenn man sämtliche Wege mit Booten zurücklegen muss. In drei Wochen war ich deshalb dreimal in der Stadt, hatte aber die Pflichten dann jedes Mal doch schnell erledigt und genügend Zeit, zu essen und nach interessanten Lebensmitteln zu suchen.
Einige Zeit zuvor hatte ich vom Miele di Barena gelesen, einem Honig aus der Lagune. Dort gedeihen ja nicht nur jede Menge Fisch, Muscheln, Krabben und Meeresgetier (obwohl man eigentlich besser nicht so genau wissen will, woher die Unmengen an Hummern wirklich stammen, die den Millionen von Touristen jeden Tag auf die Teller gelegt werden).
Die Lagune ist mit ihrer einzigartigen Vegetation aus Wasserpflanzen, Sumpf und Schlamm auch die Heimat von Bienen, die sich von den Blüten eben dieser Pflanzen ernähren und daraus einen besonderen Honig herstellen. Wie alle seltenen Spezialitäten, wird aber auch der Miele di Barena (Barena nennt man die häufig von Salzwasser überschwemmten Bereiche der Lagune, die weder eindeutig Land noch Meer sind) nur noch von einer Handvoll Imkern in einem sehr begrenzten Gebiet gewonnen. Wer hofft, in jedem zweiten Venezianer Feinkostladen auf ihn zu stoßen, wird enttäuscht werden. Man muss ihn schon suchen gehen. Und zwar außerhalb Venedigs.
Verlässt man Venedig, folgt man dafür am besten erstmal der Riviera del Brenta entlang des Flusses Brenta. Hier kommt man an unzähligen, teilweise halb verfallenen, Palladio-Villen vorbei, von der jede einzelne aussieht wie ein kleines Schloss Nymphenburg. Manche von ihnen sind zu besichtigen, was man unbedingt tun sollte. Zwischendurch kann man in einer der unzähligen Cicchetti-Bars die typisch venezianischen kleinen belegten Brote zum Aperitivo essen. Irgendwann ist dann das Örtchen Stra erreicht (auch hier ist vor allem die riesenhafte Villa Pisani auffallend), wo ein kleiner Betrieb den Barena-Honig in überwachter Bioqualität herstellt.
Schnell die letzen Gläser gekauft, denn es wird ja nur so eine kleine Menge produziert, und probiert. Und tatsächlich: Der Honig schmeckt natürlich zunächst nach Honig, aber auch nach Salz, würzig, irgendwie nach Meer und er hinterlässt einen im besten Sinne bitteren Nachgeschmack auf der Zunge. Sowas habe ich noch nie zuvor gegessen.
Ein paar Tage später in Mailand entdeckte ich auf einer Speisekarte am Naviglio-Kanal (übrigens ist das ein Hobby, das ich jedem ernsthaft Kochinteressierten nur empfehlen kann: Speisekarten in Mailand lesen) das Primo Risotto di carciofi e miele. Jetzt, zur besten Artischockenzeit, ein frisches Risotto mit Artischocken und: Honig! Und wer wäre als Begleiter der ohnehin schon bitteren Artischocken wohl besser geeignet als der bittersüße geschmackliche Bruder aus der Lagune?
Also habe ich die Artischocken erstmal vorbereitet, so wie ich es immer tue und ich es auch hier mal ausführlich beschrieben habe. Den dabei entstehenden Sud benutze ich als Brühe fürs Risotto.
Dann einfach gehackte Zwiebeln in Öl andünsten, den Reis dazu, mit einem Schuss Weißwein ablöschen und immer vom heißen Artischockensud dazugeben und rühren. Kurz bevor der Reis gar ist, die Artischocken dazu und mit reichlich Parmigiano Reggiano und Butter montieren, bis ein schön cremiges Risotto entsteht. Kräftig würzen. Parallel etwas Honig erwärmen, sodass er leicht flüssig ist und zum Schluss auf dem Teller darüber geben. Auf frischen Tortellini macht er sich übrigens auch hervorragend.