Kochen mit Kapern

Kochen mit Kapern

Kapern sind kleine Gewürzbomben und aromatisch mindestens auf Augenhöhe mit eingelegten Sardellen. Aber was bedeuten die verschiedenen Größen und wie benutzt man sie am besten in der Küche? Ein Wegweiser.

Von Mercedes Lauenstein

Kleine Zutaten, die Großes in einem Gericht bewirken – so könnte auch eine Rätselfrage lauten, deren Antwort Kapern hieße. Doch trotz ihrer Bekanntheit ist die rundherum potente Gewürzpflanze vielen Menschen noch immer nur als in zweifelhaftem Essig eingelegte grüne Kugel bekannt, die dann leider kaum nach mehr als ebendiesem Essig schmeckt. Das ist schade, denn Kochen mit guten Kapern macht Freude und hebt das Niveau in der Küche.

Kostet man die kleinen Gewürzbomben zum ersten Mal in exzellenter Qualität und pur aus dem Salz (selbstverständlich vorher kurz gewässert), nimmt man neben den typischen kräuterigen Senfölen der Kaper ein beinahe blumiges und leicht brauseartiges Aroma wahr. Denn Kapern sind nichts anderes als Knospen, denen man das Erblühen versagt, indem man sie vorher kappt und durch Konservierung in eine herrliche Spezialität verwandelt: italienisch capperi.

Feinsinnig abgestimmt machen Kapern sich gut in einfachen Salaten oder Gemüsegerichten. Am besten aber passen sie zu Fischgerichten oder hellem Fleisch. In Deutschland paart man Kapern deshalb mit Königsberger Klopsen. Und auch in Frankreich und Italien setzt man auf die Kombination mit Fisch, hellem Fleisch und hellen Soßen. Man denke nur an Vitello tonnato. Berühmt ist ihr Einsatz aber auch in Kombinationen mit Zwiebeln, Knoblauch, Petersilie, Olivenöl, Kartoffeln und Tomaten. Das wahrscheinlich berühmteste italienische Pastagericht mit Kapern sind die Spaghetti alla puttanesca.

 

Gute Kapern bieten neben den typischen kräuterigen Senfölen der Kaper ein feines, beinahe blumiges und leicht brauseartiges Aroma

 

Verwirrung stiften oft ihre verschiedenen Erscheinungsformen. Dabei sind die schnell erklärt: Die kleinsten Kapern sind logischerweise die jüngsten Knospen. Sie gelten als die feinsten. Sie sind winzig, idealerweise noch fest verschlossen und angeblich besonders dicht im Geschmack, wobei dies eine durchaus umstrittene Meinung ist. Denn auch die größeren Knospen bergen die feinen Aromen der kleinen. Gut möglich, dass die große Wertschätzung für die kleinsten der Knospen eher an ihrer kleinen Größe liegt. Immerhin liegen die im Italienischen puntine genannten allerkleinsten Knospen besonders delikat auf der Zunge.

 

Kapern sind die unterschiedlich großen Knospen des Kapernstrauchs – mit einer Ausnahme: den Kapernäpfeln. Sie sind die Früchte des Strauchs

 

Die berühmteste Kapernskala stammt aus Frankreich. Dort heißen die gleichen feinen Knospen Nonpareilles, die Unvergleichlichen. Sie haben einen Durchmesser von etwa vier bis sieben Millimetern. Die Nächstgrößeren sind die Surfines mit sieben bis acht Millimetern. Es folgen die Capucines mit acht bis neun Millimetern und die Capoates fines mit neun bis zehn Millimetern. Dann die Fines mit zwölf bis 13 Millimetern und zuletzt die Hors calibres mit 13 bis 15 Millimetern. Die Communes sind dann bereits sind die sogenannten Kapernäpfel oder Kapernbeeren, italienisch Cucunci oder Capperoni. Sie sind die eigentlichen Früchte des Kapernbuschs, die logischerweise erst gedeihen, wenn man die Knospen nicht erntet, sondern die Blüte abwartet, nach der schließlich die Frucht sich bildet. Kapernäpfel sind beinah olivengroß, haben einen festen Stiel und in ihrem Inneren Kerne beziehungsweise Samen. Kapernäpfel eignen sich in der Küche pur als Antipasto, oder auch durch Backteig gezogen und frittiert. Auch im Salat machen sie sich gut oder in einer einfachen Crudaiola, einer kalten Pastasoße aus rohen Tomaten, Knoblauch, Kapernäpfeln und Olivenöl.

Die Kapernblüte selbst ist übrigens eine Besonderheit. Sie dauert nur einen einzigen Tag und wirkt dabei umso spektakulärer: Aus den zarten, weit geöffneten, weißen Blüten ragen feuerwerksartig lange, weiß-violette Staubfäden, um bereits am Abend schon zu verblühen. Wem es angesichts dieses Bildes ganz philosophisch ums Herz wird, kein Wunder. Schon im Alten Testament wird die Kaper aufgrund ihrer kurzen, spektakulären Blüte als Sinnbild für die Vergänglichkeit allen Lebens verwendet. Ganz so dramatisch ist die Lage aber auch wieder nicht. Denn die Kapernblüte mag zwar kurz sein, aber nicht unbedingt selten. Der Kapernbusch treibt zwischen Mai und September immer wieder aufs Neue aus, so dass er täglich aufgesucht und abgeerntet werden kann.

 

Die Kapernblüte ist von biblischer Poesie: sie dauert nur einen einzigen Tag

 

Apropos Ernte: Wenn in Italien der Frühling in den Sommer übergeht und allerorts die ersten Knospen sichtbar werden, beginnt auch die Kapernernte. Bis September suchen die Kapernbauern ihre Sträucher täglich nach neuen Knospen ab. Sie pflücken jede einzelne von Hand. Ihre ideale Farbe ist oliv- bis blaugrün und hat nur an der Spitze kleine helle Flecken. Diese Arbeit gelingt am besten in den Morgen- und Abendstunden, wenn die Knospen noch fest verschlossen sind. Die Ernte ist nicht ganz schmerzfrei, da Kapernsträucher oft Dornen bergen – auch dies ist ein Grund für den höheren Preis, den gute Kapern aus halbwegs fairer Landwirtschaft haben müssen.

Das Potenzial des Kapernbuschs ist aber mit seinen Knospen und Früchten noch gar nicht erschöpft. Angelehnt an die Nose-to-tail-Verwertung im Metzgerhandwerk kann man bei der Nutzung des Kapernbusches durchaus von einer Knospe-bis-Blatt-Verwertung sprechen. Die hübschen, beinahe kreisrunden, dickfleischigen Blätter sind eingelegt eine Köstlichkeit, wenn auch eine bislang eher unbekanntere.

 

Kochen mit Kapern

 

Kapernblätter passen gut zu Fisch und Fleisch und möbeln einfache Salate oder luftige Focacce zuverlässig auf. Zu kaufen gibt es sie bei Kapernbauern. Doch auch gut sortierte Feinkostläden in Deutschland, Österreich und der Schweiz führen die Spezialität immer öfter in ihrem Sortiment.

 

Beweist das Nose-to-tail-Potential des Kapernbuschs: die köstlichen, eingelegten Kapernblätter

 

Und damit zum wirtschaftlichen Aspekt des Kapernbuschs. Nachdem in den 80er-Jahren viele süditalienische Kapernbauern ihr Geschäft angesichts billiger Kapern-Massenware aus Ländern wie Marokko, Tunesien oder der Türkei aufgegeben haben und sich lieber auf den florierenden Tourismus konzentrierten, ändert sich gerade wieder etwas in der italienischen Kapernszene.

Dank des steigenden Bewusstseins für Lebensmittelqualität und einer sich ausbreitenden Slow-Food-Mentalität gibt es heute wieder mehr italienische Kapern in Spitzenqualität. Vor allem auf Sizilien, den Äolischen Inseln und auf Pantelleria bemühen sich die jüngsten Mitglieder alter Familienunternehmen wieder um ein zeitgemäßes Qualitätsrevival des kostbaren Strauchs.

Hier, auf vulkanischem Boden und im salzigen Meereswind geraten die Kapern besonders gut und aromatisch. Die Kapernbüsche wachsen als kleinparzellige Pflanzungen oder wild. Und oft ranken sich die Sträucher um Mauern oder Felsen, denn sie sind Steingewächse und können aus Felsspalten genug Nährstoffe ziehen, um zu leben.

Doch auch wer sich in Italien sehr viel weiter nördlich, etwa entlang des Gardasees durch kleine, von uralten Steinmauern gesäumten Gassen bewegt, ist dabei oft von rankenden Kapernbüschen umgeben. Mit seinem außergewöhnlichen Mikroklima bietet der See dem Strauch ein durchaus akzeptables Ambiente. Viele dort ansässige Köche kochen leidenschaftlich mit den lokalen Kapern, Kapernbeeren und Kapernblättern. Sie werden teils privat, teils von Olivenbauern im Nebengeschäft kultiviert und verkauft. Wie immer im direkten Verkauf staubt man hier auch die besten Tipps ab. Etwa den, die Kapern nach der Entnahme aus dem Salz nicht einfach nur eine Viertelstunde in einer Schale mit Wasser stehen zu lassen, sondern in Weißwein oder einer Mischung aus Wasser und Wein.

 

Es lohnt sich, nach Kapernproduzenten abseits der Massenware zu suchen – bei ihnen zahlt man einen höheren Preis, aber bekommt bessere Ware und mit etwas Glück ein paar unwiderstehliche Rezepte

 

Ein anderer Vorteil des Kaufs vor Ort direkt beim Produzenten ist die Transparenz. Vor allem auf den lokalen Märkten der für ihre Kapern berühmten Inseln Pantelleria und Salina wird oft dreister Etikettenschwindel betrieben. Nicht selten wird billige marokkanische Industrieware als lokales Gut ausgegeben. Das IGP-Siegel und ein Blick auf den Preis (je billiger, desto zweifelhafter) helfen zwar, die richtige Wahl zu treffen. Doch sicher sein kann man oft nur direkt beim Bauern.

Roh sind Kapern übrigens ungenießbar. Nach der mühsamen Ernte folgt der Fermentationsprozess im Salz. Währenddessen verlieren sie Flüssigkeit, die sich mit dem Salz zu einer Lake mischt. Die Fermentation beginnt. Im Laufe einiger Wochen lösen sich hierbei die Bitterstoffe aus den Knospen und es entsteht das typische Kapernaroma: Caprinsäure und Senfölglykoside. Erst danach folgt, in kleineren Betrieben wieder per Hand, die aufwendige Sortierung nach Größe und Qualität.

Wie es weitergeht, bleibt der persönlichen Leidenschaft des Kapernbauern überlassen. Entweder er verpackt die Knospen nun pur in grobem Salz oder in Salzlake in Gläser, so dass der Kunde sie zum Verzehr nur noch wässern braucht und dann weiterverarbeiten kann. Oder aber er paart sie mit Essig, der jedoch das Risiko birgt, den Kapern die feinen Aromen zu rauben.

Auch in Olivenöl eingelegte Kapern gibt es. Sie heißen oft Capperi conditi oder auch Cunsati. Die eingelegten, winzigen Kapernknospen werden dafür nach der ersten Konservierung im Salz erst gewässert und dann mit Kräutern und Gewürzen in Olivenöl eingelegt. Auch so bleibt ihr tiefgründig blumiges Aroma vollständig erhalten. Das Olivenöl umschmeichelt sie dabei wie flüssige Seide und bietet ihrem knackigen Biss und ihrem kräftigen Charakter das ideale Gegengewicht. Wenn das Olivenöl wirklich exzellent ist, stellt diese Kapernvariante eine köstliche Delikatesse dar, die am besten pur zu Salumi, Käse, Antipasti, in Salaten, in der Pasta oder auf der Pizza schmeckt. Eine modernere Darreichungsform ist auch die gefriergetrocknete Kaper oder auch die zu Würzpulver vermahlene Kaper.

 

Kapern als Medizin

 

Und wen es neben dem großen Genuss interessiert: Kapern haben offenbar auch gesundheitlich einiges zu bieten. Nach Forschungen der Universität Palermo gilt als bewiesen, dass einige Inhaltsstoffe der Kaper wie die Flavonoidglykoside, das Rutin und das Gluccoapparin antioxidative Effekte auf den Körper haben. Sie helfen zum Beispiel dabei, rotes Fleisch gesünder zu verdauen. Das Senföl wiederum hat desinfizierende Eigenschaften und bekämpft im Magen und in den Harnwegen schädliche Bakterien – ganz so, wie man es auch Senf und Meerrettich nachsagt. In der Antike setzte man Kapern tatsächlich gegen Milzbeschwerden ein und fand sie auch bei Skorbut, Rheuma und Arthritis hilfreich. Und im Iran verwendet man Kapern heute noch gegen Hyperglykämie.

Allerdings lässt sich darüber streiten, ob die Menge der Kapern, die man auf einem Teller Spaghetti alla Puttanesca vorfindet, ausreicht, um eine medizinische Wirkung zu erzielen. Doch wahren Genießern sind solcherlei Dinge ohnehin egal, denn sie wissen: Gesund ist, was glücklich macht. Und das tun Kapern allemal.

Dieser Text ist auch in Merum erschienen, dem Italien-Magazin für Wein, Olivenöl, Reisen und Speisen, mit dem wir regelmäßig zusammenarbeiten.