Wer Italien liebt, liebt frische Pasta und wer Pasta liebt, liebt Italien. Müsste man die italienische Seele malen, man malte eine Nudel. Bloß: Welche Form? Von den Alpentälern des Valtellina bis zum Strand von Siracusa: Jede Region, jede Landschaft, ja sogar jede Stadt und jedes Dorf hat seine eigene Pasta-Variante. Und jede wird von ihren Erfindern, Entdeckern und Köchen so ernstgenommen, als ginge es dabei mindestens um eine biblische Figur. Niemand käme in Italien ernsthaft auf die Idee, dass Nudel gleich Nudel ist.
Jede Sorte hat ihre Berechtigung und ihre Eigenheiten. Und wenn es nur ein kleines Loch in der Mitte der Spaghetti oder die Länge der Rigatoni ist.
Grob betrachtet – und freilich ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit – lässt sich die Welt der italienischen Pasta in drei Kategorien gliedern: Die klassische frische Pasta (die Pasta fresca all’uovo), Hartweizenpasta und die gefüllte Pasta. Um erstere geht es hier.
Wenn in Italien die Rede von Pasta fresca ist, ist sie gemeint. Die klassische, frische Eierpasta. Sie ist ein eher norditalienisches Phänomen und stammt traditionell aus Gegenden, in denen Tiere zur Landwirtschaft dazugehören. Entsprechend isst man sie auch häufig mit den Zutaten, die in den nördlichen Regionen des Landes üblich sind: Butter, Käse und Fleisch.
Wer Beispiele für die Pasta all’uovo sucht, kann sich auf eine Reise machen: von den Alpen bis nach Rom. Beginnend in Südtirol, wo die Pasta oft noch Nudel heißt und typisch für den eher nordeuropäischen Geschmack gerne mit einer Mischung aus Roggen- und Weizenmehl hergestellt wird. Außerdem gehört oft der Einsatz von Milchprodukten dazu: Im alpinen Norden und der fruchtbaren Po-Ebene sind Kühe und Milchwirtschaft eine Selbstverständlichkeit, die daraus gewonnenen Produkte Teil der täglichen Ernährung. Im heißen Süden besinnt man sich auf andere Qualitäten wie zum Beispiel Olivenöl, Gemüse und Fisch.
Tortelli und Tajarin
Das nächste große Nudelzentrum liegt in der östlichen Lombardei: Mantua. Nicht nur die Stadt selbst, sondern auch die umliegenden Dörfer versammeln so viele Pastifici, wie es andernorts Bäckereien gibt. Ihre Spezialität sind hauchdünne Tagliatelle und unzählige Varianten von ebenso zarten, nahezu seidigen Tortelli.
Weiter westlich im Piemont haben es die Tajarin zu großer Berühmtheit gebracht: dünne, recht kurze Tagliolini, die mit Butter und dem berühmten weißem Alba-Trüffel, aber auch mit Fleischragù serviert werden. In der im Herbst sehr feuchten und nebligen Gegend zwischen Turin, Alba und Alessandria isst man traditionell reichhaltig. Von hier stammt auch die klassische Eierpasta der hohen Küche, bei der auf ein halbes Kilo fein gesiebtes Mehl um die 15 Eigelb kommen.
Apropos Mehl: Um zu verstehen, worauf es bei Pastateig ankommt, ist es wichtig die Grundcharakteristika von Mehl und Grieß zu kennen. In Italien benutzt man traditionell Mehl des Mahlgrads 00 (doppio zero). Dieses fein ausgemahlene Weizenmehl entspricht nicht ganz der deutschen Variante 405, kommt ihr aber sehr nahe. Doppio zero benutzt man zum Backen und Kochen, besonders berühmt wurde es durch seinen Einsatz im Pizzateig. Aber auch die klassische frische Pasta wird damit zubereitet. Meistens gemischt mit Hartweizengrieß, den man in Italien Semola (etwas gröber) oder Semolina (etwas feiner) nennt. Während Mehl die Feinheit der Pasta begünstigt, gibt der grobkörnigere Grieß Struktur und Stabilität. Und Geschmack: Eine gute Pasta aus hochwertigem Hartweizengrieß hat so viel Eigenaroma, dass sie auch ohne jeglichen Sugo einen Hochgenuss darstellt.
Frische Pasta, nur Mehl, Grieß und Ei
Klassischerweise besteht der Teig für die Pasta fresca nur aus Mehl, Grieß und Ei. Es gehören weder Wasser noch Öl oder Salz hinein. Welches Verhältnis von Eigelb zu Eiweiß und Mehl zu Grieß erforderlich ist, kommt ganz auf das gewünschte Ergebnis an.
Mehl, Grieß und Eier
Mit einer Gabel verrühren
Eine gute Faustregel für einen Pastateig für zwei Personen lautet: Auf 100 Gramm Mehl und Grieß kommt ein ganzes Ei. Fehlt Flüssigkeit, kann und sollte man nur noch mit Eigelb nachjustieren, bis ein geschmeidiger Teig entsteht. Soll die Pasta hauchfein und dünn wie Seidenpapier werden, lohnt es sich tendenziell mehr Mehl als Grieß zu benutzen, wenn nicht sogar ausschließlich Mehl. Elastischer wird der Pastateig durch den ausschließlichen Einsatz von Eigelb. Er trocknet so allerdings auch viel schneller aus, weshalb er während der Verarbeitung immer mit einer Folie abgedeckt und schnell verbraucht werden sollte. Wie bei fast allem in der Küche bedarf es auch für den perfekten Pastateig mehr Fingerspitzengefühl und Erfahrung als klarer Regeln.
Tagliatelle, Pappardelle und Fettuccine
Doch weiter auf der Reise: Südlich der Lombardei, in der Emilia, befindet sich der sogenannte Speckgürtel Italiens. Von hier stammen Parmaschinken, Culatello, Mortadella und Parmigiano Reggiano. Entsprechend des emilianischen Fleischkulturerbes serviert man die Pasta hier vor allem mit fleischhaltigen Sughi: Das berühmteste Beispiel sind wohl die Tagliatelle al ragù bolognese. Lange, ungefähr einen Zentimeter breite Bandnudeln, die man mit der wahrscheinlich bekanntesten, klassischen Fleischsoße serviert.
Die Welt der Eierpasta macht in Bologna nicht halt. Sie zieht sich von hier aus durch die Toskana und Umbrien, wo es vor allem die breiten Pappardelle sind, die mit kräftigen Sughi aus Wild kombiniert werden.
Weiter Richtung Süden verlässt uns die Eierpasta allmählich. Wir treffen sie in Rom zum letzten Mal wieder, wo zwar mit den großen Nudelklassikern Amatriciana, Gricia und Cacio e Pepe schon die Hartweizenpasta dominiert, aber eine Eierpasta-Spezialität doch an der Spitze steht: die Fettuccine Alfredo. Dessen Erfinder sich allerdings im Norden hat inspirieren lassen.
Südlich der italienischen Hauptstadt wird die Eierpasta zur absoluten Ausnahme. Und spätestens ab Neapels berühmtem Vorort Gragnano, dem Geburtsort und Zentrum der Hartweizenpasta, spielt sie kaum noch eine nennenswerte Rolle.
Doch wie stellt man sie nun her, die klassische Pasta fresca? Zunächst sei gesagt: Frische Pasta zuzubereiten macht viel weniger Arbeit als man zunächst denkt. Ein bisschen Übung und Planung vorausgesetzt, verlängert sie die Zeit in der Küche höchstens um eine halbe Stunde. Der Genuss und Geschmack am Tisch wird allerdings mindestens verdoppelt. Nichts kommt geschmacklich an frische Pasta heran. Auch nicht die besten, vermeintlich frisch verpackten Produkte aus dem Handel. Außerdem macht es die Eigenproduktion möglich, auf die Herkunft der eingesetzten Produkte zu achten. Eier stammen mit Vorteil aus biologischer Haltung, Mehl, wenn möglich, von handwerklich arbeitenden Mühlen, die noch wissen woher das verarbeitete Getreide stammt.
Das Grundrezept für frische Pasta
Auf einer Arbeitsfläche – in Italien benutzt man traditionell ein großes Holzbrett – Mehl und Grieß zu einem kleinen Haufen formen und eine Mulde in die Mitte drücken. Die Eier in die Mulde aufschlagen, sodass sie rundherum von Mehl umgeben sind. Jetzt mit einer Gabel vorsichtig in kleinen Kreisen die Eier verschlagen, sodass ein kleiner Strudel entsteht. Die Masse nimmt sich dabei ganz von selbst immer mehr Mehl von den Rändern mit, sodass sie langsam fester wird und ein Teig entsteht. Jetzt kann mit den Händen geknetet werden. Ein Pastateig sollte glatt, geschmeidig und homogen sein.
Den Teig von der Mitte aus dünn ausrollen…
… bis er fast transparent ist.
Er darf auf keinen Fall trocken werden, deshalb lieber mit etwas zu wenig Mehl beginnen und nur allmählich mehr dazugeben. Sobald der Teig nicht mehr klebt, sich aber noch gut feucht anfühlt und eine glatte Oberfläche hat, ist er fertig. Jetzt sollte er mindestens eine halbe Stunde lang ruhen. Dafür legt man ihn am besten in Folie gewickelt in den Kühlschrank. In dieser Zeit quellen die einzelnen Bestandteile auf und verbinden sich noch besser.
Nach der Ruhezeit den Teig ausrollen. Dafür einen Teil des Teigs nochmals durchkneten – den Rest in der Folie belassen, damit er nicht austrocknet – und dann mithilfe eines Nudelholzes immer dünner ausrollen. Wer möchte, kann auch eine Pastamaschine benutzen. Das funktioniert prinzipiell problemlos und ist durchaus zu empfehlen. Die klassischen, handbetriebenen Maschinen gibt es in jedem besser sortierten Haushaltswarenladen.
Für frische Tagliatelle den Teig zusammenfalten…
… und Streifen herunterschneiden.
Während des Ausrollens wird der Teig mit Grieß bestäubt, damit er nicht klebt oder reißt. Perfekt ist ein Pastateig, wenn er so dünn ist, dass die Maserung des Holzbretts darunter zu erkennen ist.
Nun den Teig weiterverarbeiten und in verschiedene Formen schneiden. Man kocht frische Pasta wenige Minuten in siedendem Salzwasser.
Viel Spaß beim Kneten, Kochen und Genießen!
Dieser Text ist auch in Merum erschienen, dem Italien-Magazin für Wein, Olivenöl, Reisen und Speisen, mit dem wir regelmäßig zusammenarbeiten.