Molise ist die zweitkleinste Region Italiens nach dem Aostatal und die jüngste dazu. Erst 1970 hat sie sich von den Abruzzen abgespalten und bildet nun die Verbindung zwischen den Abruzzen und Apulien. Gehässige Zungen gründen Facebookgruppen namens: „Molisn’t: I don’t believe in the existence of Molise“, aber das Land existiert und es ist geprägt von ziemlich wenig Industrie und ziemlich viel Natur. Es gibt lange weiße Sandstrände an der Adria, ein eigenes Skigebiet in Campitello Matese und kaum Tourismus. Wer die Einsamkeit sucht, findet sie hier. Viele Städte sind verlassen, Mobilfunkempfang ist Glückssache. Auf gutes Essen aber muss kein Reisender verzichten. Molise ist noch immer das Land der Hirten und Bauern, und sie pflegen eine Landwirtschaft, die eine Menge fantastischer Spezialitäten hervorbringt, insbesondere Hartweizenpasta, Schafskäse und unzählige Fleisch- und Wurstvarianten.
Da wären zum Beispiel der Ziegenkäse Caprino di Montefalcone nel Sannio oder der Caciocavallo di Agnone, ein Pasta filata-Käse aus Kuhmilch der nach einer 30-tägigen Reifezeit mindestens drei Monate lang in natürlichen Grotten verharrt und am liebsten gegrillt zu frischem Brot verzehrt wird. Die Presssack-Wurst Capofreddo benannt nach dem Ort, aus dem sie stammt oder auch die Coppa molisana. Sie stammt aus Zeiten, in denen nose-to-tail-Verarbeitung in jedem Fleischverarbeitungsbetrieb noch eine Selbstverständlichkeit war und besteht dementsprechend aus Schweinskopf, Schweinsfüßen, Schweinszunge und Schwarte. Sie wird mit Lorbeer, Orangenschale, Fenchelsamen, Knoblauch und Chili gekocht, eingesackt und innerhalb von 30 Tagen verzehrt.
Die sogenannten Capocolli und Campanelle (Schweinefleisch, das mit scharfer Peperoni getrocknet wird), die ofengetrocknete Pampanera (Bauchspeck mit Peperoncino) zeugen von der süditalienischen Liebe zur Schärfe. Wie auch die Abruzzen und Apulien hat Molise eine große Kultur der Hartweizenpastaproduktion. Von hier stammt die Nudel, die jedes Kind kennt: die spiralförmige Fusilli, typischerweise mit Lammragù verzehrt. Weniger bekannt, aber des Namens nach wahrscheinlich in irgendeiner Verbindung zu der Lasagne stehend, sind die kleinformatigen Pastablättchen namens Sagne nennt, deren berühmteste Variante die ist, in der sie mit Platterbsen, Lardo, Tomate, Peperoncino und Basilikum gekocht und so serviert wird. Die Centofoglie ist ein Endiviensalat, man isst ihn roh oder mit Sellerie, Kartoffeln und Bohnen, den Fagioli di Ricca, im Tontopf zu einem Eintopf gekocht. Nicht selten unter Verwendung der aus Isernia stammenden berühmten süßen weißen Zwiebel, die Cipolla di Isernia. Das Getreide Farro dicocco stammt auch aus Molise. Und in den Grotten von Pietracatella bei Campobasso reift der Formaggio Pietracatella.
Seit einigen Jahren wird in Molise wieder die alte Maissorte Mais agostinello, auch Cinquantino del Molise angebaut und zu Polenta gemahlen. Sogar eine Pizza aus Maismehl gibt es hier und den Parrozzo, eine mit Schokolade überzogene Süßigkeit aus Maismehl, Hartweizenmehl und Kartoffel.
Berühmt ist auch die Manteca oder auch Burrino, ein Käse, den man mit etwas Fantasie als eine Art ausgereifte Burrata beschreiben könnte: eine Scamorza gefüllt mit Butter, die Moliser Variante des kalabrischen Butirro calabrese. Zu verzehren aufs Brot geschmiert und mit Trüffel behobelt.
Dieses kleine Land platzt vor Spezialitäten, die Liste ist noch längst nicht am Ende: da wären noch die Kartoffeln aus San Biase, die überall im Land in Bündeln hängenden gelben Wintertomaten, die an der frischen Luft ohne zu schimmeln vor sich hintrocknen und jederzeit direkt aus der Luft gegriffen aufs Brot geschmiert werden. Eine Salsiccia aus Leber gibt es hier auch, die Rionero Sannitico aus der Nähe von Isernia, die man sicherlich gern mit der süßen, weißen Zwiebel isst. Nicht zu vergessen außerdem die berühmte Fischsuppe aus Termoli: Brodetto alla termolese di tornola.