Colatura di Alici

Sommer in Amalfi

Colatura di Alici, die fermentierte Fischsoße aus Kampanien, ist eines der interessantesten Produkte Italiens. Und die Grundlage eines großen Klassikers.

Von Juri Gottschall

Neulich war ich an der Amalfiküste, dem legendären Küstenstreifen südlich von Neapel. Kulinarisch bekannt ist die Gegend vor allem für ihre Zitronen. Tatsächlich sind sämtliche Steilhänge und Felder zwischen Nerano und Salerno mit Zitronen bepflanzt. Die Früchte erntet man das ganze Jahr über.

Südlich von Amalfi, das als Ort übrigens gar nicht so spannend ist wie der berühmte Name vermuten lässt, findet sich das kleine Fischerdorf Cetara. Hier sind nicht mehr die Zitronen die Berühmtheit, sondern die Sardellen, Alici oder Acciughe, die vor der Küste gefangen und hier verarbeitet werden. Insbesondere die Colatura di alici, eine traditionelle, natürlich fermentierte Fischsoße, gehört zu den Berühmtheiten des kleinen Dorfs. Ihre Produktion hat eine lange Tradition. Angeblich benutzten schon die alten Römer ein ähnliches Produkt, das zu ihren Grundnahrungsmitteln gehörte. Colatura di alici aus Cetara hat sich also bewährt, weshalb es sie auch in Italien und darüber hinaus in jedem besseren Feinkostladen gibt. Und tatsächlich stammt jedes Fläschchen der Soße aus diesem kleinen Dorf. Besonders zwei Hersteller teilen sich mit ihren kleinen, direkt nebeneinander liegenden Geschäften, das Monopol für Sardellen in Cetara. Während Nettuno die klassische, Slow-Food („Slow Fish“) zertifizierte Arbeitsweise nach alter Tradition anwendet, geht Delfino (direkt nebenan) etwas modernere Wege. Hier gibt es auch in Gewürzen eingelegte Sardellen und diverse Soßen in Gläsern.

 

Colatura di alici, wie die alten Römer

 

Hergestellt wird die Colatura mit einfachsten Mitteln: Die Fische werden zusammen mit viel Meersalz in große Holzfässer geschichtet und mit Gewichten beschwert. Dann reifen sie im warmen Klima monatelang bis sich eine salzige Flüssigkeit absetzt. Man fängt die Flüssigkeit auf, konzentriert sie in der Sonne durch Verdunstung und gibt sie dann erneut über die gesalzenen Fische. Dann wird sie in Flaschen abgefüllt. Ihr Geschmack ist mild-salzig, sie hält sich jahrelang. Colatura verstärkt den Eigengeschmack vieler Gerichte ohne nach Fisch zu schmecken. Sie vermag den Duft und Geschmack von Meer, Sommer und Küste in einer kleinen Flasche zu konzentrieren.

Wie in Italien üblich, gibt es auch zur Colatura di alici das passende Nudelgericht, dessen Zutaten allesamt aus der unmittelbaren Umgebung stammen. Die Spaghetti aus Gragnano, dem berühmtesten Ort für Hartweizenpasta, die Colatura aus Cetara. Darüberhinaus braucht es nur Olivenöl (auch da hat die Region ein paar ganz hervorragende Produkte), Knoblauch, Peperoncino und Petersilie.

 

Kein Salz ins Kochwasser

 

Los geht’s: In einer kleinen Schale mische ich Olivenöl, klein geschnittenen Knoblauch, etwas Peperoncino und die Colatura. Ungefähr ein Esslöffel pro Person sind ein guter Richtwert. Dazu kommt etwas Wasser um das Ganze zu einer homogenen Emulsion zu verbinden.

Parallel koche ich die Spaghetti. Das Kochwasser darf hier nur wenig bis gar nicht gesalzen werden, da die Colatura di alici schon so viel Salz enthält. Die knapp al dente gekochte Pasta vermische ich dann mit der Colatura-Emulsion und ergänze sie auf dem Teller mit noch etwas frischem Olivenöl und fein geschnittener Petersilie. Wie im Süden Italiens üblich, isst man die Pasta ohne weitere Zutaten. Statt Parmigiano Reggiano sind höchstens geröstete, klein gehackte Brotkrümel zulässig. Das Gericht ist schnell gemacht, schmeckt leicht und frisch und ist ein perfektes Mittagessen für den hoffentlich bald nahenden Sommer.