Spaghetti alla marinara

Reizüberflutung auf dem Fischmarkt? Muss nicht sein. Dieses Rezept für Spaghetti mit Meeresfrüchten weist den Weg.

Von Mercedes Lauenstein

Man spaziert nicht jeden Tag über einen Fischmarkt mit fangfrischer Ware. Entsprechend groß ist der Druck, wenn sich die Gelegenheit ergibt und man zufällig auch noch eine einsatzbereite Küche in der Nähe hat. Jetzt nur bestmöglich einkaufen! Aber was? Wenn kein Fisch weniger frisch ist als ein anderer und die aufgetürmten Krustentiere funkeln wie Diamanten in einer Schatztruhe befällt einen statt einer guten Idee nur eins: Reizüberflutung.

Einmal tief durchatmen, wir wissen Rat. Am ersten Abend gibt es eine einfache und hocharomatische Spaghetti alla Marinara, die das Beste aus den Meeresfrüchten rausholt. Sie erfordert zwar etwas Mühe, aber die zahlt sich auch aus.

Man konzentriert sich für die Spaghetti alla Marinara weniger auf frischen Fisch, als auf Muscheln, Krustentiere und Weichtiere wie Moscardini oder Seppie. Desweiteren braucht es nur Spaghetti, gutes Olivenöl, etwas Knoblauch, Passata und/oder frische Tomaten (dazu später mehr), Weißwein, Petersilie und Basilikum.

 

Spaghetti alla Marinara: Das Angebot bestimmt die Zusammensetzung

 

Für die Mischung der Meeresfrüchte empfehlen sich zuerst einmal ein paar Muscheln. Zum Beispiel: Vongole oder Telline, Miesmuscheln und Jakobsmuscheln. Dazu eine Mischung verschiedener roher Garnelen. Echte Gamberi Rossi (zu erkennen an ihrer bereits im rohen Zustand rubinroten Farbe und dem aufgrund ihrer Seltenheit meist exorbitanten Preis) oder ihre gewöhnlicheren rosafarbenen bis blauschwarzen Verwandten.

Auch einige Scampi dürfen mit. Das sind jene krebsartigen Zwischenwesen, die gern mit Hummern, Langusten oder auch Garnelen verwechselt werden. In Wahrheit erkennt man sie an ihren großen Scheren und der gefächerten Schwanzflosse, im Deutschen heißen sie auch Kaisergranat oder Jungfrauenhummer. Genauso gut verwenden kann man übrigens Fangschreckenkrebse, die in Italien unter anderem Spernocchie heißen.

Wer möchte und genug Freunde zu bewirten hat, kann auch noch Moscardini, Seppiolini oder Calamaretti in die Mischung integrieren.

 

Die Muscheln reinigen

 

Wichtig: Beim Kauf nachfragen, ob die Muscheln schon küchenfertig – also in sauberem Salzwasser vorgewässert –  sind. Meistens ist das der Fall und man muss sie zuhause nur noch unter fließendem Wasser gründlich abspülen und sortieren. Sind sie es nicht, sollte man vor dem Kochen eine Stunde Zeit zum Wässern einplanen. Doch dazu weiter unten.

Sind die Muscheln bereits küchenfertig, wie folgt weitermachen: Alle geöffneten Muscheln oder jene mit Beschädigungen entsorgen. Sand oder tote Muscheln in den Spaghetti alla marinara kommen, wie jeder weiß, dem Ruin des Gerichts gleich. Deshalb besonders aufmerksam vorgehen.

Um sicherzustellen, dass auch unter den scheinbar geschlossenen Muscheln wirklich keine tote Muschel mehr dabei ist, kann man mit jeder Muschel einmal auf ein Holz- oder Schneidebrett klopfen und beobachten, was passiert: Die toten öffnen sich, die lebendigen bleiben fest verschlossen.

Sind die Muscheln noch nicht küchenfertig, geht es so weiter: Zuerst unter fließendem Wasser gut abspülen und ebenfalls alle geöffneten, beschädigten und toten aussortieren. Der Klopftrick hilft auch hier.

Die guten, fest verschlossenen Muscheln dann in eine Schale geben und mit möglichst kaltem Salzwasser (der Salzgehalt sollte Meerwasser ähneln, was etwa 35 Gramm Salz auf einen Liter entspricht) großzügig bedecken. Entweder im Kühlschrank oder an einem kühlen Ort eine Stunde lang stehenlassen. Danach mit der Schaumkelle oder den Händen herausheben, so dass der abgesetzte Sand tunlichst am Boden der Schüssel bleibt.

 

Los geht’s:

 

Etwas Olivenöl in einen großen Topf geben, eine ganze, ungeschälte Knoblauchzehe einmal fest andrücken und im Öl nur kurz und leicht anbraten.

Dann gleich die geschlossenen Muscheln dazugeben und dem Topf seinen Deckel aufsetzen. Drei bis fünf Minuten garen lassen, zwischendurch einmal gut umrühren. Die Muscheln öffnen sich jetzt und lassen Wasser. Dadurch entsteht ein hocharomatischer Sud.

Haben sich alle Muscheln geöffnet, die Hitze ausschalten. Die Muscheln mit der Schaumkelle herausheben und zum Abkühlen in eine Gratinform oder auf ein Blech geben. Gut darauf achten, dass jeglicher Sud, der sich in den geöffneten Muschelschalen verfangen haben könnte, im Topf zurückbleibt. Jeder Tropfen davon bereichert unser Gericht.

Das Muschelfleisch nun aus den Schalen klauben und vorerst in einer kleinen Schüssel aufbewahren. Die Schalen entsorgen. Den im Topf verbliebenen Sud durch ein feines Sieb in eine Schüssel abgießen und aufbewahren.

Eine große Pfanne auf den Herd stellen. Etwas Olivenöl darin erwärmen und erneut eine Knoblauchzehe hineingeben, diesmal aber geschält und halbiert. Sanft anbraten, die beste Bezeichnung für die gewünschte Farbe des Knoblauch ist das italienische imbiondire: blondieren. Nicht dunkler, sonst gerät der Knoblauch bitter.

Vorsichtig mit dem Muschelsud ablöschen, ein kleines Glas Wasser dazugeben und drei, vier Minuten köcheln lassen.

Nun bieten sich zwei köstliche Varianten an. Es kommt bei der Entscheidung nur auf Lust und Laune an.

 

Zwischen zwei Varianten von Spaghetti alla Marinara entscheiden – oder im Laufe der Zeit beide ausprobieren:

 

Entweder, man gibt jetzt…

a) … großzügig gute Tomatenpassata dazu und kocht damit einen sehr tomatenlastigen Sugo.

b) … oder man ergänzt als Flüssigkeit bloß kleine süße, halbierte oder geviertelte frische Tomaten und einen guten Schluck trockenen, nicht zu sauren Weißwein. So erhält man einen helleren, leichteren Sugo.

Den gewählten Sugo eine gute Viertelstunde einköcheln lassen.

In dieser Zeit die Meeresfrüchte weiter vorbereiten: Auch hier steht wieder eine Entscheidung an, nämlich jene, wie man Krustentiere und Pasta am liebsten vereint. Manche mögen es rustikal und trennen weder die Muscheln vor dem Servieren von ihren Schalen, noch die Krustentiere von ihrer Kruste. Das ist deshalb nachvollziehbar, weil in der Kruste und vor allem auch in den Köpfen von Scampi und Garnelen viel Aroma steckt. Andererseits führt viel Schale und Kruste auf dem Teller zu einem etwas umständlichen Esserlebnis – mir ist es zu umständlich. Ich habe die Dinge gern bereits filetiert vor mir, vor allem, wenn ich sie mit Spaghetti um die Gabel wickeln möchte.

 

Das Aroma aus Krusten und Schalen herausholen

 

Weil ich aber auf die Aromen aus Schale und Kopf trotzdem nicht verzichten möchte, lasse ich sie etwas mit kochen und entferne sie dann vor dem Servieren wieder.

Dafür die rohen Scampi mit einem großen scharfen Messer einmal im Ganzen der Länge nach halbieren. Die rohen Garnelen nur von ihrer Kruste befreien, aber den Kopf noch dran lassen. Der schwarze Faden auf ihrem Rücken ist ihr Darm, diesen vorsichtig herausziehen und entsorgen.

Die Moscardini und Seppie hat man sich idealerweise auch von dem Fischhändler schon reinigen und ausnehmen lassen, ansonsten müsste man jetzt noch den kleinen Knorpel, oder auch becco, in ihrer Mitte herausdrücken und entsorgen. Nach Belieben in Ringe oder Stücke schneiden oder je nach Größe auch im Ganzen belassen.

 

Das Gericht vollenden

 

Jetzt die Spaghetti in Salzwasser kochen und frisches Basilikum und frische Petersilie fein hacken.

Fünf Minuten, bevor die Spaghetti al dente sind und abgegossen werden können, alle noch rohen Meeresfrüchte in den Sugo legen. Eine Kelle Pastawasser dazugeben und alles nur wenige Minuten zusammen köcheln lassen – das Fleisch der Meeresfrüchte soll gerade so garen und noch schön zart bleiben. Sind sie gerade richtig gar (das geht sehr schnell) die Krustentiere mit Kopf und Kruste entnehmen und auf ein Blech geben, um gleich im Handumdrehen die restlichen Schalen entfernen zu können.

Doch zuerst die al dente gekochten Spaghetti abgießen. Ein wenig des stärkehaltigen Pastawassers vorhalten und mit den Spaghetti in die Pfanne zu dem Sud geben. Gut schwenken und die Hitze ausstellen.

Jetzt zügig das Fleisch aus den Krusten der vorher beiseite gestellten halbierten Scampi ziehen, die Garnelen von ihren Köpfen trennen. Die Köpfe über dem Sud kurz auspressen, sie enthalten viel Aroma. Dann sowohl Scampi- und Garnelenfleisch wie auch die beiseite gestellten Muscheln zur Pasta geben.

Alles einmal gut schwenken, aber nicht weiter kochen, damit die Meeresfrüchte bloß nicht trocken werden. Sofort servieren und auf dem Teller Basilikum und Petersilie darüber geben. Außerdem einen großzügigen Faden Olivenöl. Kein Parmigiano Reggiano, die Aromen des Meeres sprechen für sich.