Thunfisch Spaghetti

Spaghetti col tonno alla bolognese

Was Thunfisch und Hartweizenpasta in der Bologneser Tradition zu suchen haben, erzählt dieser Teller Pasta.

Von Mercedes Lauenstein

Einer der größten Irrtümer in Sachen italienischer Küche rankt sich um den Begriff Spaghetti alla Bolognese. Was viele damit meinen, gibt es in Bologna nämlich nicht. 

Was es in Bologna gibt, ist das streng geschützte Ragù alla Bolognese. Es wird ausschließlich mit den in Bologna heiligen Tagliatelle serviert. Wer es wagt, ein traditionelles Bologneser Ragù mit Spaghetti aus Hartweizenpasta zu servieren, verstößt damit gegen das von der Camera di Commercio dall’Accademia Italiana della Cucina geschützte Originalrezept. Und begeht damit ein unverzeihliches Verbrechen.

Und trotzdem gibt es in Bologna ein Gericht namens Spaghetti alla Bolognese. Es hat bloß nichts mit Hackfleisch zu tun, sondern mit Thunfisch.

 

Spaghetti alla bolognese haben in Bologna nichts mit Hackfleisch zu tun, sondern mit Thunfisch

 

Unter dem Titel La vera ricetta degli spaghetti col tonno alla bolognese wurde es erst im Jahr 2018 in die große Bologneser Rezeptsammlung aufgenommen. Warum? Weil es ein vergleichsweise junges Rezept ist. Und das Selbstverständnis des fleisches- und eierlustigen Bolognas mit Hartweizenpasta und Thunfisch so wenig zusammengeht wie sizilianische Sardellen mit Schweizer Alpenküche.

Heute offiziell ein Klassiker: Gli spaghetti col tonno alla bolognese

 

Trotzdem konnten die Experten der Accademia nicht leugnen, dass man in Bologna um die Nachkriegszeit mit den Spaghetti col tonno alla bolognese ein Gericht erfand, das trotz der lokal untypischen Zutaten heute zum Klassiker geworden ist.

Das hatte zwei Gründe: Zum Einen verbreitete sich nach dem Zweiten Weltkrieg die aus Hartweizenpasta gefertigten und traditionell im Süden verwendeten Spaghetti auch im italienischen Norden. Zum Anderen fand zur selben Zeit eine Kommerzialisierung des in Öl eingelegten Thunfischs statt.

Beide Produkte waren nicht besonders teuer und ihre Kombination bot die ideale Alternative für die sogenannten giorni di magro, jene Tage also, an denen der katholische Glauben den Fleischverzehr verbot. So ein herzhaftes Thunfisch-Ragù erleichterte den Fleischverzicht am Freitag und machte auch die Vigilia di natale erträglicher, den Abend des 24. Dezembers.

 

Das ideale Gericht für die giorni di magro

 

Die restlichen Zutaten der Spaghetti col tonno alla bolognese sind dann auch wieder sehr bolognese: die Grundlage des Sugos ist im weitesten Sinne eine friggione oder frizòn, eine typisch Bologneser Arme-Leute-Suppe aus nichts als Schmalz, Tomaten und Zwiebeln, die normalerweise zu Weißbrot gegessen wird.

Wer stattdessen Thunfisch und Pasta addiert, hat sie eigentlich schon, die Spaghetti col tonno alla bolognese.

Frische Zwiebeln fein hacken und in einer Pfanne in Olivenöl sanft anbraten bis sie leicht transparent erscheinen, aber noch keinesfalls Röstaromen entwickelt haben.

Frische Tomaten oder Tomatenpassata dazugeben, mit Salz abschmecken und eine gute halbe Stunde einköcheln lassen. Das Geheimnis jedes guten Sugos ist bekanntlich: je länger er einkocht, desto besser. Wer eine gute Tomatenpassata ohne Zusätze hat, braucht entgegen vieler Leute Glauben weder Gewürzmischungen noch Zucker. Nur Zeit und Geduld. Auf dem richtigen Weg ist man, wenn sich das Olivenöl absetzt und der Sugo sich am Rand der Pfanne zu  hochkonzentriertem Tomatenmark zu verwandeln beginnt.

 

In Olivenöl eingelegter Thunfisch bestmöglicher Qualität

 

Nun die Spaghetti in gesalzenem Wasser bissfest kochen. Etwas frische Petersilie hacken. In reinem Olivenöl eingelegten Thunfisch aus dem Glas oder der Dose nehmen. Abtropfen lassen, auf einen Teller geben, mit der Gabel sanft zerdrücken und in den Sugo rühren. Petersilie hinzufügen.

Gute Qualitäten eingelegten Thunfischs gibt es beim Feinkosthändler. Sie sind in Olivenöl eingelegt anstatt in beliebigem Pflanzenöl. Sowieso ist in Öl eingelegter Thunfisch immer dem im eigenen Saft vorzuziehen. Das Aroma des Fleischs kann sich im Öl besser entfalten und auch seine Konsistenz wird durch das Öl noch mürber und geschmeidiger. Je länger er lagert, desto aromatischer wird er.

Die beste Qualität stammt oft vom Weißen Thunfisch, dem weißfleischigen Bonito del Norte. Die schönsten Stücke werden sauber aufgeschnitten im Glas verkauft, während die etwas zerrupfteren, aber nicht weniger guten Teile des Fischs oft als Masse in die etwas günstigeren Dosen gepresst werden.

Thunfisch sollte kein Cent-Produkt der Discounter-Eigenmarke sein

 

Das Schöne daran, sich für Zutaten bestmöglicher Qualität zu entscheiden und dafür auch einen gewissen Preis zu zahlen, ist nicht nur, dass man sich so der Kostbarkeit des Produkts neu bewusst wird, sondern auch der Umwelt etwas Gutes tut, weil man den Konsum automatisch reduziert. Thunfisch sollte kein Cent-Produkt der Disocunter-Eigenmarke sein, das zuhauf in den Speisekammern von Studenten-WGs herumsteht, sondern eine Delikatesse.

Jetzt die Pasta hinzufügen, gut durchmischen und servieren.