Die Herstellung von Aceto Balsamico ist nicht nur eine Kunst, sie ist auch eine Wissenschaft. Die komplizierte, auf den ersten Blick etwas esoterisch anmutende Versuchsanordnung von unzähligen Fässern aus verschiedenen Holzsorten in verschiedenen Größen, die auf dem Dachboden jeder Acetaia rund um Modena und Reggio Emilia stehen, begreift man selbst beim dritten Mal erklären nicht ganz. Kurz gesagt durchwandert der Most aus gekochten Lambrusco und Trebbiano Montanaro Trauben verschiedene Fässer, bis er nach mindestens zwölf oder 25 (für die höchste Qualitätsstufe) Jahren zu einem zertifizierten Aceto Balsamico Tradizionale di Modena wird. Die Zertifizierung erfolgt von einem Konsortium anhand verschiedenster geschmacklicher, olfaktorischer und optischer Kriterien. Ein echter Aceto Balsamico Tradizionale di Modena hat nichts mit Balsamicoessig aus dem Supermarkt zu tun. Er wird nur in genormten 100 ml Flaschen in zwei Qualitäten (Silber und Gold bzw. vecchio und extravecchio) verkauft und kann bis zu mehreren hundert Euro kosten.
In den Hügeln von Maranello bei Modena stellt Signore Scarabelli seit Jahren einen sehr guten Aceto Balsamico her. Seine Acetaia hat er nach seiner Frau Clara benannt, die für den Verkauf im Hofladen zuständig ist und einen bei jedem Besuch aufs Neue durch die weitläufigen Dachböden mit den uralten und unzähligen essigschwarzen Holzfässern führt, um einem mit gelassener Herzlichkeit ganz genau zu erklären, wie hier gearbeitet wird.
Die kleine Acetaia Clara ist bei Weitem nicht so bekannt wie die großen Namen der Aceto Balsamico-Tradition. Hier landet man in einem vorrangig aus Leidenschaft und Freizeitgründen betriebenen Familienbetrieb. Und das lohnt sich auch deshalb, weil die Hausspezialitäten der Clara ziemlich einmalig sind: sie hat es sich ausgedacht, einen Teil des von ihr und ihrer Familie produzierten Balsamicos ausschließlich in Wacholderholzfässern reifen zu lassen, was einen Aceto Balsamico hervorbringt, der wie ein ganzer Wald aus Pinien und Wacholder schmeckt. Das Produkt ist mit der Qualität eines Aceto Balsamico tradizionale di Modena ebenbürtig.
Außerdem hält sie sie einen Teil des echten Aceto Balsamino tradizionale di Modena zurück, um ihn in eigenen Flaschen und ohne vorherige Einsendung zum Konsortium für einen sehr viel geringeren Preis unter der Hand anzubieten. „Das Prüfen des Balsamico durch das Konsortium ist wichtig für den Bestand und die Qualitätswahrung des Produkts, aber es ist auch sehr teuer, das meiste zahlt man für die Prüfung und die Flasche“, sagt Clara. Ob ihr Tradizionale, den sie in kleinen Glasphiolen anbietet, tatsächlich dem Originalprodukt entspricht, kann natürlich nur das Konsortium selbst überprüfen. Geschmacklich gibt es jedenfalls zumindest für den Laien keine wahrnehmbaren Unterschiede. Wir können daher auch Claras nicht consorzio-geprüften Balsamico besten Gewissens empfehlen.
Empfehlenswert ist auch die dickflüssige, süße Saba und natürlich das kleine, selbstgemachte Heft, in dem Clara ihre liebsten Rezepte mit Aceto Balsamico versammelt hat.