Tagliatelle di Carnevale

Tagliatelle di carnevale

Karneval ohne Frittiertes? Undenkbar in Italien. Keine Party, kein Geschäft, kein Bistro, kein Café kommt jetzt ohne in Fett ausgebackenen Süßigkeiten aus. In der Emilia frittiert man natürlich: Tagliatelle

Von Mercedes Lauenstein

Chiacchiere, Zeppole, Castagnole, Graffe, Struffoli, Frappe, Bugie, Cenci, Galani, Scroccafusi, Crostoli – was laut aufgezählt für den Laien eher klingt wie eine Schimpftirade, ist in Wahrheit das glatte Gegenteil. Köstlichkeiten über Köstlichkeiten, allesamt aus der Kategorie „Frittiertes italienisches Karnevalsgebäck“.

Warum man zu Karneval derart übertreibt mit Fett, Zucker und Teigwaren, liegt auf der Hand. Karneval ist seit jeher das Fest der Ausschweifung vor der Abstinenz, die Party der Partys. Noch einmal alles geben in Sachen Kostüm, Konfetti, Kapriolen. Denn danach wird’s fromm. Zumindest für alle, die noch an althergebrachten religiösen Riten oder zumindest an ihren modernen Variationen festhalten. Historisch begünstigt wurde das Fritti-Gelage zu Karneval durch die Tatsache, dass man Schweine traditionell eher in den kalten Monaten schlachtete und somit eines reichlich vorhanden war: Schmalz. Heute frittiert man noch immer gern mit Schmalz in Italien. Aber auch das etwas leichtere Backen in Olivenöl oder anderen Pflanzenölen setzt sich durch und ist kein Frevel.

 

Die Tagliatelle di carnevale entstammen, wie könnte es anders sein, der Emilia

 

Aber zurück zum wirklich Wichtigen. Den laut Titel dieses Textes angekündigten Tagliatelle di Carnevale. Sie stammen aus der Karnevaltradition der Emilia und sind, wie könnte es im Land der Tagliatelle al Ragù anders sein, nichts weiter als süße Tagliatelle. Die mit Puderzucker und Orangenabrieb gewürzt und dann ausgebacken werden.

So geht’s: Den Anfang macht die frische Pasta. Hat man einmal Tagliatelle selbst gemacht, schwindet die Verlockung, sie fertig im Laden zu kaufen. Man braucht dafür ja nicht einmal Grammangaben. Man kann zwar auf 100 Gramm Mehl ein ganzes Ei rechnen, es reicht aber auch, nach Augenmaß einen Haufen fein ausgemahlenes Weichweizenmehl (00 oder 405) aufzutürmen, ein Loch in die Mitte zu drücken und für den Anfang zwei Eigelbe und ein ganzes Ei hineingleiten zu lassen. Wer keine Lust hat, danach die Arbeitsfläche zu putzen, kann das auch in einer Schale machen, die sich unkomplizierter auswaschen und in die Spülmaschine verfrachten lässt.

Nun mit dem Finger oder einer Gabel die Eier verschlagen, so dass sie sich nach und nach mit dem Mehl verbinden. Geduldig kneten, bis sich alles zu einem angenehm homogenen und geschmeidigen Teig verbunden hat, der nicht mehr an den Fingern klebt. Scheint der Teig noch zu trocken, mit Eigelb nachjustieren. Scheint er zu feucht, mit Mehl. Manchmal reicht es aber auch schon, die Hände etwas zu befeuchten (oder mit Mehl zu bestäuben) und geduldig weiter zu kneten.

Den Teig fest in Klarsichtfolie wickeln und für eine Viertelstunde in den Kühlschrank legen.

Danach den Teig auf ein bemehltes Nudelbrett oder die Arbeitsfläche legen und so fein es geht ausrollen. Jetzt wird aus einem einfachen Nudelteig Karnevalsgebäck: Das ausgerollt daliegende Teigstück großzügig mit Puderzucker bestäuben. Anschließend unbehandelte Orangenschale darüber reiben.

 

Der ausgerollte Nudelteig wird mit Puderzucker und Orangenabrieb gewürzt

 

Das so präparierte Teigstück nun nur noch aufrollen und von der Rolle gut ein Zentimeter breite Scheiben herunterschneiden. Die entstandenen Schnecken sind auch schon die Tagliatelle.

Diese nun auf einem Teller zwischenlagern und eine Pfanne mit Frittierfett erhitzen. Wer keine Lust auf schlechtes Fett und übles Aufstoßen nach dem Genuss der Tagliatelle fritte hat, verwendet entweder wirklich Schmalz, oder ein annehmbares Olio Extra Vergine di Oliva, das man entgegen aller Vorurteile übrigens hervorragend auf hohe Temperaturen bringen darf. Es reicht, gerade soviel Fett zu verwenden, dass die Teigschnecken darin bis zur Hälfte versinken. Das Fett ist heiß genug, wenn man einen Holzstab hineinhält und sich daran kleine Bläschen bilden. Es darf noch nicht rauchen, dann ist es zu heiß.

Wenn die Tagliatelle di Karnevale von einer Seite goldbraun sind, wenden und von der anderen Seite ebenfalls goldbraun backen. Mit der Schaumkelle herausnehmen und auf einem sauberen Küchenhandtuch oder saugfähigem Küchenpapier einige Minuten abtropfen lassen – dann erneut mit Puderzucker bestäuben und gleich servieren.