Tortino di Patate

Einfacher Kartoffelgratin mit Rosmarin

Am Beispiel des Kartoffelgratins kann man was übers Leben lernen. Was, steht in diesem Text. Auch Rosmarin und Butter haben damit etwas zu tun.

Von Mercedes Lauenstein

Ich hätte gerne eine Kolumne mit dem Titel „Man sollte viel öfter…“. Darin würde ich ungeniert die unoriginellsten Tätigkeiten loben. Ich würde schreiben, dass man öfter ins Museum gehen sollte, in die Stadtbibliothek, ins Schwimmbad, zu öffentlichen Vorträgen. Dass man öfter grundlos Telefongespräche führen müsste, Mittagsschlaf halten, in die Sauna gehen (natürlich nur am Frauentag, wenn keine Harvey Weinsteins da sind, die einem den Rücken mit dem vom Saunameister ausgegebenen Salz einreiben wollen). Und Kartoffelgratin machen, überhaupt Gratins. Irgendetwas daran, Zutaten in eine Form zu schichten und dem Ofen alles weitere zu überlassen ist extrem beglückend.

Irgendetwas daran, Zutaten in eine Form zu schichten und dem Ofen alles weitere zu überlassen ist extrem beglückend

 

Meine Eltern servierten uns Kindern früher zwei komplett unterschiedliche Varianten von Kartoffelgratin. Verwirrend, unter ein und demselben Namen zwei sich kaum ähnelnde Gerichte serviert zu bekommen. Andererseits sind das die Momente, in denen man beginnt, grundlegend etwas über das Kochen, Essen und das Leben zu verstehen: Es kommt nie drauf an, was man tut. Sondern nur, wie man es tut.

Welche Kartoffelsorte nimmt man für einen Kartoffelgratin? Gart man sie vor oder nicht? Welche Form verleiht man ihr? Serviert man sie geraspelt, dünn gehobelt, dick geschnitten, grob zerteilt? Und welche Zutaten stellt man ihr zur Seite? Sahne, Butter, Ei, womöglich Bèchamel, Parmigiano Reggiano, Emmentaler, Appenzeller, Gouda, Muskat, Thymian, Schalotten? Oder nichts davon?

Zuletzt habe ich mich an eine Kartoffelgratin-Variante gehalten, die ich in einem italienischen Kochvideo sah. Sie enthält Rosmarin und Butter. Das hat mich natürlich überzeugt, denn was liebt eine Kartoffel mehr als Rosmarin und Butter?

Zu den Kartoffeln: Meinem Geschmack nach sollten alle Kartoffeln festkochend, tiefgelb, speckig, cremig und so buttrig-nussig-aromatisch sein, dass sie fast schon bittersüß sind. Helle, wässrig bis kristallin zerfallende Kartoffeln erinnern mich an Schneematsch. Ich kann sie nicht leiden. Nicht einmal für Gnocchi oder Kartoffelpüree. Die besten Kartoffeln stammen meiner Erfahrung nach oft aus norddeutschem Boden und heißen aller Gerüchte zum Trotz keineswegs immer Linda.

Die beste Kartoffelberatung bekommt man auf dem Viktualienmarkt

 

Tatsache ist aber, dass ich mich mit Kartoffeln aus südlicheren Gefilden abfinden muss. Die beste Kartoffelberatung bekommt man auf dem Viktualienmarkt, zum Beispiel bei den Betreibern des Kartoffelstands Caspar Plautz. Rund um München gibt es aber auch sehr gute Kartoffeln direkt ab Hof in Ismaning. Man muss sich nur an den vielen „Kartoffeln und Kraut“-Straßenschildern orientieren. Und wenn man schon mal da ist, sollte man auch das echte Ismaninger Kraut kaufen, das gerade in die „Arche des Geschmacks“ von Slow Food aufgenommen wurde.

Kartoffeln schälen und in dünne Scheiben schneiden. Zwei Zweige frischen Rosmarins in Salzwasser geben und darin auch die Kartoffeln kochen, allerdings nicht ganz gar. Sie sollen nicht zerfallen, jedenfalls nicht schon vor ihrem Eintritt in die Gratinform.

In dem Rosmarinwasser köcheln sie nun wie in einem Tee, was ihnen ein ausgezeichnetes Aroma verleiht. Den Boden einer Gratinform mit flüssiger Butter einpinseln und mit einer halbierten Knoblauchzehe ausreiben.

Mit der Butter sparsam umgehen

Frische, angedrückte Rosmarinnadeln einstreuen und die erste Lage Kartoffelscheiben drüberlegen. Sparsam flüssige Butter darüber träufeln, wieder Rosmarinnadeln, dann sehr dünne Scheiben Fontinakäse darüber schichten und etwas geriebenen Parmigiano Reggiano. Wieder Kartoffelscheiben, wieder Butter, Rosmarin, Fontina, Parmigiano Reggiano.

Das Prinzip so oft wiederholen, wie es die Gratinform erlaubt.
Die letzte Schicht schließt mit Fontina und Parmigiano Reggiano ab. Mit der Butter unbedingt sparsam umgehen, sonst wird es zu fett, der Käse leistet ja auch noch seinen Beitrag.

In den auf 180 Grad vorgeheizten Ofen geben, auf Grill umschalten und direkt unter dem Grill gratinieren bis der Käse goldbraun ist. Abkühlen lassen und unbedingt lauwarm essen, denn Gratins schmecken immer am besten lauwarm.