Zwiebel, gratiniert

Zwiebeln, gratiniert

Ein Klassiker aus Sizilien: Süße, milde Zwiebeln im Backofen gratiniert.

Von Juri Gottschall

In Italien hat nicht nur jede Region ihre Spezialität, sondern oft auch jedes Dorf mindestens ein Lebensmittel, das von irgendeinem Konsortium geschützt und dessen Produktion seit Generationen streng gehütet wird. Dieser manchmal schon an Wahnsinn grenzende Schutz von Traditionen treibt hin und wieder seltsame Blüten. Wenn zum Beispiel ein- und dasselbe Nudelgericht in zwei benachbarten Dörfern unterschiedliche Namen haben muss. Oder man auf der anderen Seite eines kleinen Flusses nur eine bestimmte Käsesorte schmelzen darf, was zwei Kilometer weiter schon als Frevel gilt. Schön ist hingegen, dass es so für beinah jedes Produkt ein Rezept gibt, das die Qualität und Eigenschaften des Produkts bestmöglich repräsentiert.

In Sizilien, genauer gesagt in Giarratana, gibt es die Cipolla di Giarratana, eine riesige, flache Zwiebel, hellweiß und zart, mit einem ganz milden, zuckersüßen Eigengeschmack. Sie kann vielleicht noch mit zu groß geratenen Tropea-Zwiebeln verglichen werden oder mit den ebenfalls geschmacklich großartigen Cipolle di Breme aus dem Norden Italiens.

 

Pecorino, Semmelbrösel, Kapern, Olivenöl. Eigentlich ist das auch schon das ganze Rezept.

 

Das klassische Rezept zur Zubereitung der Giarratana beinhaltet nahezu alle Zutaten, die in Sizilien typisch sind: Pecorino, Semmelbrösel, Kapern, Olivenöl. Und eigentlich ist das auch schon das ganze Rezept. Der Vollständigkeit halber schreibe ich es aber trotzdem auf:

Die großen, flachen Zwiebeln schäle ich zunächst und schneide sie dann in zwei gleiche Teile. Dabei flache ich sie unten ein wenig ab, damit sie gut auf einem Teller oder Blech liegen können. Dann rühre ich eine Art Panade aus gehackten Kapern, etwas Olivenöl, würzigem Pecorino und gehacktem, altem Brot zusammen. Ich schneide die Schnittflächen der Zwiebeln schachbrettartig ein, sodass später das Öl und die restlichen Zutaten auch ein wenig ins Innere gelangen können. Das ist gut für den Geschmack, vor allem ist es aber eine Freude auf dem Teller, wenn die butterzarten Zwiebeln langsam in ihre Einzelteile zerfallen und so fast gelöffelt werden können.

Auf ein Blech setze ich die Zwiebeln, gebe großzügig von dem Käse-Brotgemisch darüber, massiere die Mischung ein wenig in das Gemüse ein und begieße die ganze Konstruktion dann großzügig mit bestem Olivenöl. Pfeffer und Salz sind hier Geschmackssache. Wenn der Pecorino schon salzig genug ist, braucht es kaum weitere Gewürze.

Dann in den Backofen und solange bei ca. 160 Grad backen bis die Panade goldbraun und die Zwiebel komplett weich und gar gebacken ist. Eventuell zum Schluss noch einmal kurz den Grill einschalten.

 

Die gratinierte Zwiebel eignet sich als Beilage, Vorspeise oder einfach als kleine Mahlzeit zwischendurch.

 

Die gratinierte Zwiebel schmeckt heiß aus dem Ofen genauso gut wie kalt am nächsten Tag. Sie eignet sich als Beilage, Vorspeise oder einfach als kleine Mahlzeit zwischendurch. Wer irgendwo große, flache Zwiebeln bekommt (sie müssen ja nicht aus Giarratana sein), sollte sie unbedingt einmal so zubereiten. Das zarte, weiche Fleisch des Gemüses bildet zusammen mit der knusprigen Kruste eine großartige Kombination.

Beim Essen dachte ich sofort an Davide Oldani und seine berühmte Zwiebelkreation. Die süß-salzige karamellisierte Zwiebel, die ich vor Jahren einmal in einem Restaurant in Parma gegessen habe. Oldani serviert seine Zwiebel mit Parmigiano Reggiano-Eis und einer klassischen Fonduta. Zumindest letztere lässt sich auch hervorragend zu unserer gratinierten Sizilianerin ergänzen. Wer also die süditalienische Küche verlassen oder sie zumindest mit ein paar Komponenten aus dem Norden ergänzen möchte, geht vor wie folgt und rührt kurz bevor die Zwiebel aus dem Ofen kommt noch eine Fonduta zusammen: In einem kleinen Topf etwas Weißwein zum Köcheln bringen und mit Sahne aufgießen. Dann geriebenen Parmigiano Reggiano (und unbedingt auch etwas von der würzigen Kruste des Parmigiano Reggianos) darin schmelzen. Mit Muskatnuss und weißem Pfeffer abschmecken und – wenn nötig – mit einem in Wasser gelösten Löffelchen Maisstärke abbinden.

Die lauwarme gratinierte Zwiebel aus dem Ofen in die heiße Fonduta setzen. Wer möchte, kann natürlich auch den Pecorino mit Parmigiano Reggiano ersetzen oder die Fonduta mit Pecorino zubereiten. Das darf dann nur keiner von der anderen Seite des Flusses erfahren.