Ochsenschwanz

Coda alla vaccinara

Ochsenschwanz nach römischer Art heißt: Vier Stunden geschmort und entweder mit Pasta oder als Secondo serviert.

Von Juri Gottschall

Auf der großen Splendido-Speisekarte stehen nur wenige Fleischgerichte. Das liegt unter anderem daran, dass die italienische Küche eine arme Küche ist. Gemüse und Getreide spielen darin traditionell die Hauptrolle. Auch wenn sich dieses Verhältnis (zum großen Nachteil der Tiere) in heutiger Zeit umgekehrt hat: Fleisch konnte sich früher kaum jemand leisten. Teilweise noch nicht mal der Metzger, der in Rom die Rinder für die bessere Gesellschaft verarbeitet hat.

Ihm ist dieses Gericht gewidmet. Denn der vaccinaro (von vacca, ital. Kuh) konnte, wenn überhaupt, nur die Teile des Tieres verzehren, die beim Verkauf übrig blieben. In hippen Metropolen nennt man das heute fortschrittlich und gerne auch mit einem erhobenen Zeigefinger „nose to tail“.  Im alten Italien sprach man hingegen schon immer vom quinto quarto, dem „fünften Viertel“.

 

Ochsenschwanz – das fünfte Viertel

 

Ein beliebtes unter den unbeliebten Stücken vom Rind ist der Ochsenschwanz. Ochsenschwanz hat viel Knochen und wenig Fleisch. Er macht Arbeit und braucht Zeit und vereint damit alles, was man in der Küche gerne lieber vermeidet. Nimmt man sich allerdings die Zeit und gibt sich bei der Zubereitung etwas Mühe, wird man mit dem aromatischsten und zartesten Fleisch belohnt.

Coda alla vaccinara ist in der klassischen römischen Küche ein secondo. Das Fleisch wird im Ganzen mit einer Gemüsebeilage serviert. Typischerweise mit geschälten, blanchierten Selleriestangen. Macht man sich die Mühe das Fleisch vom Knochen zu lösen, lässt es sich auch hervorragend zu Pasta servieren oder in Pasta füllen, so wie es in ganz Italien in Restaurants von der Trattoria bis zum Sternelokal gemacht wird.

Die Zubereitung ist bei allen Varianten gleich und sie geht so:

In einem Schmortopf erhitze ich zunächst etwas Olivenöl und brate die Stücke vom Ochsenschwanz von allen Seiten darin an, sodass sie rundherum Farbe bekommen. Man sollte nie unterschätzen wie wenig Fleisch und wie viel Knochen an so einem Stück Ochsenschwanz ist. Also lieber ein bisschen mehr kaufen. Sonst bleibt nachher kaum was übrig.
Das Fleisch entferne ich wieder aus dem Öl und gebe dann ein Soffritto aus fein gehackten Zwiebeln, Karotten und Sellerie dazu. Das Verhältnis der Gemüsesorten ist Geschmackssache. Ich benutze gerne ein bisschen weniger Karotten und dafür mehr Zwiebel und Sellerie, damit die würzigen Noten überwiegen.

Sobald das Gemüse angedünstet ist, gebe ich das Fleisch wieder dazu. Jetzt kann mit Wein abgelöscht werden. Traditionell ist hier ein weißer, römischer Castelli Romani bianco. In vielen Rezepten ist aber auch die Rede von Rotwein oder der Wein wird ganz weggelassen. Coda alla vaccinara ist ein sowieso Gericht für das es ebenso viele Rezepte wie Köche gibt.

 

Ochsenschwanz
Ochsenschwanz nach vier Stunden Schmoren

 

Würze und Süße

 

Nun gieße ich Tomatenpassata an, sodass das Fleisch knapp damit bedeckt ist. Gewürzt wird mit einer Mischung aus Gewürzen, die sicher auch in einem weihnachtlichen Lebkuchen gut aufgehoben wären. Nelken, Rosmarin und Zimt sind dabei, aber auch Lorbeerblätter, Wacholderbeeren oder Rosinen eignen sich hervorragend. Ich gebe außerdem noch einen Löffel dunkles Kakaopulver und Pinienkerne dazu. Das gibt Würze und Süße. Dann schmecke ich kräftig mit Salz und Pfeffer ab und verschließe den Topf mit einem Deckel.

Zugedeckt bei kleiner Hitze darf der Ochsenschwanz nun langsam auf dem Herd schmoren. Alternativ gibt man den Topf bei ca. 90°C in den Backofen. So oder so – drei bis vier Stunden sind ein guter Richtwert. Das Fleisch ist fertig, wenn es sich ohne Mühe vom Knochen lösen lässt.

Sollen die Stücke vom Ochsenschwanz im Ganzen serviert werden, sind sie nun bereit. Für die Variante mit Pasta muss das Fleisch vorher vom Knochen gezupft werden. Das mache ich mit der Hand, vermenge es dann noch mit etwas vom Gemüsesud und vermische es in einer Schale mit der frisch gekochten Pasta. Hier eignen sich zum Beispiel Rigatoni oder -wie bei mir Fusilloni – hervorragend.

Auf dem Teller dann noch etwas Olivenöl und Pecorino Romano darüber.

 

Übrigens: Wer uns bei Instagram folgt, kennt dieses Rezept vielleicht schon aus dem dazugehörigen Video. Wer nicht, sollte uns unbedingt folgen. Denn dort veröffentlichen wir immer mal wieder Videos von der Entstehung unserer Gerichte.

 

 

Dieses Rezept ist in auch unserem ersten Kochbuch "SPLENDIDO - Italienisch kochen mit besten Zutaten und viel Gefühl"enthalten.

Es ist im DuMont-Verlag erschienen und wurde mit dem Deutschen Kochbuchpreis 2022 in Gold und Silber ausgezeichnet.




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