Nachdem ich viele Apfelkuchen gebacken habe, ohne je mit dem Ergebnis zufrieden zu sein, habe ich vor einigen Jahren etwas getan, das ich schon längst hätte machen sollen. Ich habe Andrea Boscagli nach seinem Apfelkuchenrezept gefragt.
Der Apfelkuchen aus dem Vini e panini
Andrea war ein italienischer Koch, der jahrzehntelang in München sein Ladenbistro Vini e panini führte. Wir haben mit ihm sein Kochbuch für den Kunstmann-Verlag produziert und standen dafür tage- und wochenlang mit ihm in der Küche. Zwischendurch gab es Espresso und Andreas Apfelkuchen. Er war zart, luftig, warm, süß, perfekt. Nach dem Verzehr waren wir beseelt und wunschlos glücklich. Vielleicht ist es uns deshalb nicht eingefallen, diesen Kuchen ins Buch aufzunehmen.
Auf Nachfrage hat Andrea mir dann später das Rezept durchgegeben. Er lebte zuletzt auf Sizilien, nachdem er das Vini e panini an seinen Sohn Filippo weitergegeben hatte, der es bis heute führt. Leider ist Andrea 2023 verstorben – ein Grund mehr, in Gedenken an ihn diesen Kuchen zu backen und ehren.
Das Rezept für diesen Apfelkuchen ist so einfach, dass es eine Freude ist. Und beinahe misstrauisch macht. Aber man kennt das ja aus anderen Bereichen: Das Einfachste ist oft das Schwerste, denn man muss sich nicht nur trauen, das Überflüssige wegzulassen. Man muss auch wissen, was es ist.
Älteste Wahrheit der Welt: Das Einfachste ist oft das Schwerste
Alle unter diesem Text angegebenen Zutaten außer der Äpfel und der Mandelsplitter in eine Rührschüssel geben und zu einem Teig verquirlen. Und ja, 300 Gramm Zucker sind wie unten angegeben tatsächlich die empfohlene Zuckermenge. Das mag einigen zuckerarm lebenden Menschen viel zu süß sein, sorgt aber zum Einen erst für die unwiderstehliche croccantezza dieses Kuchens, und ist zum anderen in vielen italienischen Kuchenrezepten die ganz gewöhnliche Zuckermenge. Ob der persönliche Geschmack dieser Angabe langfristig folgen mag oder sie eigenständig variiert, entscheidet man am besten durch Ausprobieren. Wir jedenfalls würden von dem Einsatz von weniger als 200 Gramm Zucker abraten.
Den Teig in eine gebutterte Springform geben. Die Äpfel darauf legen und leicht eindrücken oder einsinken lassen. Mit Mandelsplittern bestreuen und im auf 180 Grad vorgeheizten Ofen 45 Minuten backen – bzw. so lange, bis der Kuchen innen gar und goldbraun geworden ist. Tipp: Wer Mandelsplitter nicht nur obendrauf, sondern auch im Teig zu schätzen weiß, nimmt etwas mehr und hebt die Mandelsplitter kurz vor dem Backen noch unter den Teig.
Um zu testen, ob der Kuchen gar ist einmal mit einem Spieß, einer Gabel oder einem Messer in den Kuchen hineinstechen und prüfen, ob an dem Stechwerkzeug noch roher Teig klebt oder nicht.
Ist der Kuchen abgekühlt, steht ihm eine zarte Schicht aus Puderzucker gut – und ein heißer Espresso.
Welche Äpfel sind die besten für einen Apfelkuchen?
Kleiner Exkurs zu den verwendeten Äpfeln: Säuerlich, fest und möglichst wenig wässrig oder mehlig sollten sie sein. Und am besten natürlich erntefrisch. Der Apfel gehört zu den Früchten mit der weltweit größten Biodiversität, deshalb spricht alles dafür, sich bei jeder Gelegenheit durch alte Sorten zu probieren.
In München gibt es zum Beispiel jedes Jahr Ende September eine mit einem Apfelmarkt verbundene Streuobst-Sortenausstellung am Botanischen Garten. Was man dort an Apfelsorten entdeckt, ist schon allein der Apfelbezeichnungen wegen ein poetisches Erlebnis. Und in Italien findet jedes Jahr am zweiten Samstag im März in Cairo Montenonnte im Valle Bormida ein großer von Slow Food initiierter „Meladay“ statt, auf der diversen vom Aussterben bedrohter regionaler Apfelsorten gehuldigt wird. Allen voran der sogenannte Mela cinque coste oder im Dialekt Mai zincu coste, berühmt wie der Name schon sagt für seine fünf Rippchen – und dafür, dass er im Januar geerntet wird.
Cox-Orange oder Rubinette
Es ist aber auf die Schnelle auch nichts einzuwenden gegen gute Exemplare der handelsüblichen Sorten Royal Gala, Boskop oder Elstar. Zu meinen favorisierten Sorten der populären Äpfel gehört der Cox-Orange-Apfel. Er stammt aus der Familie der sogenannten Renette-Äpfel, deren Schale oft etwas matt und rau wirkt. Mir gefällt seine etwas exzentrische Geschmacksintensität, er ist saurer als andere Äpfel aber auch süßer, und er schmeckt meiner Meinung nach so hellorange wie sein Fruchtfleisch aussieht: klar, ein Apfel. Aber mit frischen Noten von Zitrone und Zitronenschale, unreifer Birne und Ananas. Eine andere, mir noch ganz neue Freude sind übrigens Rubinette-Äpfel. Diese Sorte ist als eine Art uneheliches Kind (bzw. auf Apfelsprech „FreieAbblüte“) von Golden Delicous und Cox-Orange und in der Schweiz entstanden.
Doch genug der Expertise. Es gilt: Man nehme das Beste, was man kriegen kann. Im Zweifel müssen das nicht einmal Äpfel sein. Diesem Kuchen steht je nach Saison jedes Obst gut, Andrea zum Beispiel benutzte in der Aprikosen-Saison auch gern Aprikosen.
Zutaten
Gemäß unseres Plädoyers gegen grammgenaue Rezepte empfehlen wir die folgenden Angaben als Richtwerte zu begreifen. Für eine Springform von ca. 24 bis 28 Zentimetern: Vier Eier, einen gestrichenen Esslöffel Backpulver, 150 Gramm Butter oder Olivenöl, vier große Äpfel geschält und in Scheiben geschnitten, die geriebene Schale einer ganzen, unbehandelten Zitrone, 140 Gramm Mehl, 300 Gramm Zucker, 50 Gramm Mandelsplitter.