An einem heißen Sommerabend vor ein paar Jahren irrte ich bei Sonnenuntergang durch die Straßen von Livorno. Livorno ist eine jener Städte am Meer, bei denen man um eine normale Straßenecke biegt und sich kurz in einem hyperrealistischen Traum wähnt, weil einem zwischen den Arkadengängen faschistischer Bauten der haushohe Bug oder Rumpf eines Passagierschiffes entgegen kommt.
Jedenfalls wollte ich in Livorno Kichererbsentorte essen, torta di ceci oder auch farinata genannt, und zwar eine der besten der Stadt in der Torteria da Gagarin. Die gänzlich unglamouröse und unbeschilderte Torteria da Gagarin liegt an einer ebenso unscheinbaren Straßenecke in der Nähe des Mercato Centrale. Zwischen Mülltonnen und parkenden Mofas huscht man durch einen klimpernden Fliegenschutzvorhang und steht schon gleich direkt an einer Theke, hinter der aus einem lodernden Feuerofen, na klar, riesige runde Backformen mit torta di ceci geholt werden und zu einem kühlen Bier entweder pur auf die Hand, oder in eine Focaccia gesteckt verkauft werden.
Der große Reiz der Farinata ist ihre deftige Bescheidenheit
Ich bekam meine torta, aß sie noch vor der Tür, an die Wand gelehnt neben den ausgestellten Wäscheständern und Feudeln eines Haushaltswarengeschäftes und war gleichermaßen erstaunt wie bezaubert von der Tatsache, dass ich gerade nichts esse außer gebackenes Kichererbsenmehl, Wasser, Olivenöl und Salz – und mir das absolut ausreicht, um satt und glücklich zu sein. Dabei schmeckt die Farinata wirklich nicht nach besonders viel, zumindest, wenn sie so pur serviert wird. Möglicherweise gibt es Leute, denen sie zu langweilig und dabei auch noch zu ölig ist. Und doch ist genau diese deftige Bescheidenheit ihr großer Reiz. Kein Getreidemehl, keine Butter, nichts, und doch so bodenständig und sättigend, als wäre dem so – die Macht der Hülsenfrüchte halt.
Man kann die Farinata behandeln wie eine Frittata und alles hineinbacken, was man grad da hat: Rosmarin, Zwiebeln, Gorgonzola, Oliven oder Artischocken
Gut ist, dass man die Farinata natürlich auch zuhause backen und sie dann noch beliebig variieren kann. Einmal habe ich in Ligurien (Kichererbstentorte ist in Italien unter den unterschiedlichsten Namen vor allem an der nördlichen und westlichen Küste, aber auch auf Sardinien und Sizilien bekannt – und in Südfrankreich als Socca oder Cade) eine Variante mit Rosmarin und Zwiebeln gegessen und im Piemont eine, auf die man kurz vor dem Servieren noch etwas Gorgonzola gegeben hatte, der langsam darauf zerlief. Im Grunde kann man sie behandeln wie eine Frittata und alles hineinbacken, was man grad da hat. Mittlerweile esse ich sie nur noch selten ganz pur und backe immer einige Gewürze und Zwiebeln mit hinein oder esse sie mit Käse, Oliven, Artischocken oder Salat.
Kichererbsenmehl kriegt man, wenn nicht in Italien in jedem Supermarkt, in Deutschland in Bioläden. Mit Wasser vermischen und rühren, so dass der Teig glatt und geschmeidig ist und mindestens 30 Minuten quellen lassen.
Wer es richtig ernst meint, lässt den Teig über Nacht quellen, dann wird die Farinata noch luftiger. Backform, am besten ein Blech oder eine Tarteform, mit Öl einpinseln. In Italien backt man Farinata in wenige Zentimeter flachen Kupferformen. Jetzt den durch das Quellen entstandenen Schaum auf dem Teig abschöpfen und noch einmal durchrühren. Der Teig bleibt übrigens fast flüssig, wovon man sich nicht abschrecken lassen sollte. Im Ofen bekommt er schnell die richtige Konsistenz.
Etwas Öl dazu und die gewünschten Gewürze oder Gemüse, und ab in die Form damit. Je nach Belieben so dünn ausbacken wie man es gern hat, bis die ganze Torte goldbraun ist. Sollte man keinen Holzofen zur Hand haben, ist man gut damit beraten, am Ende den Grill im Backofen zuzuschalten. So kriegt die Oberfläche ein bisschen mehr Hitze ab und bekommt eine schönere Farbe. Je dünner man den Teig ausgießt, desto mehr wird aus der Torte ein knuspriger Fladen – mir schmeckt sie so dünn wie möglich am besten.
Übrigens funktioniert das alles ganz genauso gut, wenn man die Farinata in der Pfanne backt wie ein Pfannkuchen.
Unbedingt sofort und heiß und in der Gesellschaft eines kühlen Biers essen.